Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Zur See

Ein Leben an der See

Von: Lesehummel
07.02.2023

"Zur See" spielt auf einer kleinen, nicht benannten Insel in der Nordsee. Hier kennt Jeder kennt Jeden - mal abgesehen von den vielen Erholungstouristen, die für ein paar Tage Seeluft, Wellness und Achtsamkeit anreisen. Vordergründig geht es um die Sanders, eine Familie, in der die Seefahrt seit vielen Generationen Tradition hat. Die Männer wurden schon im jungen Alter zur See geschickt, während die Mütter gleichwohl wie später dann die Ehefrauen, sehnsuchtsvoll auf die Rückkehr ihrer Liebsten warteten. Doch mittlerweile wohnt die Mutter der Familie alleine im alten reetgedeckten Haus, verlassen vom Vater ihrer drei Kinder. Der einstige Kapitän hat sich in eine zugige Stelzenhütte am Deich zurückgezogen, aus welcher er in aller Abgeschiedenheit die Vögel beobachtet. Der älteste Sohn trat schon früh sein Familienerbe auf See an, doch mittlerweile fährt er nur noch die Inselfähre und betäubt sich tagtäglich mit reichlich Alkohol. Der jüngere Sohn der Familie hat mit den alten Bräuchen gar nichts mehr am Hut; er baut aus Schwemmgut Skulpturen, die er ziemlich erfolgreich an Neu- und Kurzzeitinsulaner verkauft. Und Tochter Eske ist nur noch genervt von der maritimen Inszenierung der Insel, mit ihren blau-weißen Souvernirshops, den bärtigen Seemännern am Hafen und den urigen Kombüsenkneipen mit klischeehafter Fischernetzdeko und Messinglampen in den Fenstern. Jeder Ur-Insulaner spielt hier nur noch seine Rolle für die Touristen, während Eske im Seniorenheim der Insel die einstigen, wahren Seemänner und deren Frauen pflegt. Wir Leser begleiten die Familie durch einige tiefe Zerwürfnisse, die sich während der Zeit aufgetan haben, denn trotz der augenscheinlichen Idylle am Wattenmeer läuft das Leben auch hier nie so richtig rund. Da es keine so ganz stringente Handlung gibt, treten hier die kleinen, aber bedeutenden zwischenmenschlichen Geschichten besonders deutlich zutage. Meist steht dabei die Einsamkeit im Vordergrund, oft daraus resultierend, dass die einstige Seefahrerkultur durch die Touristenströme immer mehr zur Farce und sich zeitgleich sehr nostalgisch an die alten Zeiten zurückerinnert wird. Aber auch die See selbst kommt in diesem Inselportrait natürlich nicht zu kurz und wird oft Thema, das die Handlung durchbricht und bestimmt. Bei Dörte Hansens Roman handelt sich um eine insgesamt leichte Lektüre mit ziemlich melancholischer Erzählstimme, die mich schon allein wegen der Atmosphäre überaus stark unterhalten (und ja, auch gut entschleunigen) konnte. Schöne, greifbare Figuren mit Ecken und Kanten, von denen sehr gefühlvoll erzählt wird, runden das Buch ab, und doch hat mir in Bezug auf die Handlung zwischendurch ein bisschen mehr Tiefgang gefehlt. Es war interessant, dem Werdegang einer Familie zu folgen, die zwar Nachkommen sturmerprobter und kälteresistenter Seefahrer sind, aber trotzdem in den dunklen Wellen der modernen Gesellschaft treibt. Denn auch wenn der Fischfang nicht mehr im Mittelpunkt ihrer Leben steht, das Leben an der Küste wird fortwährend stark von der See bestimmt.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.