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Rezension zu
Todesspiel. Die Nordseite des Herzens

Ein hervorragender Krimi / Thriller

Von: Sabine Ibing
30.01.2023

Der erste Satz: «Albert war elf Jahre alt und eigentlich ein braver Junge.» Die junge Subinspectora Amaia Salazar aus Pamplona befindet sich zur Fortbildung in der FBI-Akademie in Quantico in den USA, als sie zur Beurteilung eines Falls gebeten wird. Nach einem heftigen Sturm wurde eine Familie ermordet, die in den Trümmern ihres Hauses stand. Es hätte fast ausgesehen, als wenn ein Familienvater aus Verzweiflung zuerst seine Familie erschossen hätte und zum Schluss sich selbst, wenn nicht ein unerkannter Zeuge das Geschehen miterlebt hätte. «Albert hörte die Schreie und die Schüsse. Er riss erschreckt die Augen auf. Womöglich war dies trotz allem ja doch sein Glückstag.» Der zwölfjährige Albert hatte sich mit seinem Freund verabredet, doch seine Eltern verboten ihm, den Freund zu besuchen, da ein Tornado über das Gebiet fegen würde. Blauer Himmel, kein Windzug, kein Tornado in Sicht – so entschließt er sich, trotz Verbot, zu seinem Kumpel hinüberzugehen. Als er die Farm erreicht, ist kein Mensch zu sehen, da die Familie bereits im Sicherheitskeller hockt. Auf dem Weg dorthin kann sich Albert vor dem plötzlich auftauchenden Sturm nur noch in den Hühnerstall retten. Das Dach bricht ein und Albert wird zwischen Balken eingeklemmt, wird ohnmächtig. Irgendwann wacht er auf, hört Stimmen, sieht einen Mann, der auf das Haus zugeht – dann hallen Schüsse, die Stimmer ersterben. Dieser Mann kommt zurück, bewegt seine Arme wie ein Dirigent zum Haus hin und verschwindet. Der Junge sagt, er habe sich wie Komponist verhalten, kann den Begriff nicht von einem Dirigenten unterscheiden – das FBI übernimmt das Wort. «‹Ich dachte, dass Loyalität und Aufrichtigkeit zusammengehören.› Sie ließ nicht locker. ‹Stört es Sie nicht, dass er etwas vor Ihnen verbirgt?› ‹Subinspectora, wir sind Bill und Bull, nicht Batman und Robin. Loyalität bedeutet nicht, alles zu sagen, sondern das zu sagen, was gesagt werden muss.›» Vielleicht ist es ein Serienmörder, vermutet Amaia Salazar, die dafür bekannt ist, sich in Psychopathen hineinzuversetzen. Einer von denen, die sich nicht in ihrer Berühmtheit sonnen, sondern einer von denen, die nicht erkannt werden wollen, mit ihrer Tat nur für sich selbst zufrieden sind. Für sie steht dieser Mord für eine rituelle Wiederholung eines nüchternen Prozesses; damit versucht der Psychopath, seine großen emotionalen Defizite auszugleichen. Deshalb vermutet sie, dass es analoge Morde bereits gegeben hat, die als Familientragiöde durchgegangen sind. Ähnlich diesem: Die Leichen sind exakt nach Norden ausgerichtet, eine Familie, die nach einer Naturkatastrophe ihr Heim verloren hat. Das FBI recherchiert. Und tatsächlich finden sie genau das: Die tote Familie besteht jeweils aus Oma, Vater, Mutter, zwei Jungen, einer Tochter, die Kinder in fast identischen Alter. Gut, eine Familie nach einem Hurrikan u.ä. zu finden, die ihr Haus verloren hat, ist nicht schwierig. Aber wie schafft der Täter es, die Menschen mit der eigenen Waffe zu ermorden, so nahe heranzukommen, Vertrauen zu schaffen – und wie kommt er auf genau diese Familienkonstellation? Er muss einen helfenden Beruf vortäuschen. Eine Uniform hatte der Zeuge nicht erwähnt. Wenn die Natur tobt und die Menschen am schutzlosesten sind, schlägt er erbarmungslos zu: Er bringt ihnen den Tod. Er inszeniert den Tatort, ganz zufällig drapiert er eine Geige zwischen den Trümmern. Wann wird der Komponist erneut zuschlagen? New Orleans wird gerade evakuiert, Katrina, der schlimmste Hurrikan seit Jahren, befindet im Anmarsch. Das Team begibt sich in die Stadt, da sie hier den nächsten Mord erwarten. Denn wie zu befürchten, werden nicht alle Menschen die Stadt verlassen. Sie wollen ihr Hab und Gut vor den Plünderern verteidigen – die Stadt hat schon andere Hurrikans übertreffen - doch dagegen war die wütende Betsy, die halb New Orleans 1964 vernichtete, ein Stürmchen. Doch was den Verbliebenen in der Stadt bevorsteht, wird alle ihre Vorstellungen übertreffen. Katrina wütet, wie kein Hurrican zuvor! Mitten drin das FBI-Team auf der Jagd nach einem Psychopathen ... Diesen Noir-Thriller hat Dolores Redondo von April 2017 im Hotel Dauphine in New Orleans begonnen und im Juli 2019 hier beendet, hat lange zu Katrina vor Ort recherchiert und mit Einwohnern, Rettungskräften und Journalisten gesprochen. Die Eindrücke, die hier bildlich über das Geschehen während des Hurrikans Katrina wiedergegeben werden, sind beeindruckend und sind historisch korrekt. Die Autorin schafft es, das überwältigende Szenario des totalen Chaos und all die Gefühle von Verzweiflung, Verlust und Ohnmacht zu vermitteln; lebendige Schauplätze, eine fesselnde Erzählung, die alle Empfindungen, Emotionen, Texturen und Gerüche einfängt. Allein dafür lohnt es sich, diesen Thriller zu lesen. Am 29. August 2005 schob ein Hurrikan der Kategorie 5 eine mehr als 10 Meter hohe Flutwelle vor sich her, der die Dämme und Küstenbefestigungen durchbrach und den größten Teil von New Orleans überflutete. Sturmböen mit fast 300 Stundenkilometer und sintflutartige Regenfälle taten ihr weiteres. Aber es brach nicht nur temporales Chaos aus ... Bei dieser Naturkatastrophe verloren mehr als 1.800 Menschen ihr Leben, über eine Million wurden obdachlos, eine ganze Stadt wurde zerstört. Der Thriller ist gut recherchiert und ausbalanciert, vor allem aber in seinem Aufbau in Bezug auf die Handlung und die Abfolge der Wendungen begleitet mit gut ausgearbeiteten Charakteren. Eine selbstbewusste, intelligente Ermittlerin, die aneckt, sich durchsetzt und die Kollegen überzeugt. Dupree ein lonesome Woolf, dazu eine zickige und ambitionierte Polizistin, die an seinem Stuhl sägt und eine Menge feiner Nebenfiguren. Trotz des vielen Personals wahrt man stets den Überblick. Aber auch Duprees Vergangenheit kann erklärt seine Empathie – und der hat in New Orleans nebenbei ein eigenes Süppchen am Kochen. Es handelt sich um ein Prequel zu der vorstehenden Baztán-Trilogie, die bereits verfilmt wurde, in der nun die Lebensgeschichte von Amaia Salazar in einem zweiten Strang eingeblendet wird. Warum kann sie sich so gut in einen Psychopathen einfühlen, seine Handlungen und Beweggründe nachvollziehen? Agent Dupree hat seine Vermutungen: Nur wer selbst Schlimmes in seiner Kindheit erlebt hat und einem Psychopaten hautnah begegnet ist, scheint dazu in der Lage zu sein ... Amaia stammt aus einem kleinen baskischen Ort und die Handlung spielt zum größten Teil in New Orleans – da darf ein kleiner Griff ins Mystische nicht fehlen: Voodoo und baskische Mythologie. Herrlich spielt die Autorin mit Volksglauben, ihren Geistern, ihren magischen Kreaturen und Voodoo-Zauber. Über 600 Seiten Hochspannung, ein Pageturner, spannend bis zur letzten Seite! Empfehlung! Dolores Redondo hat mich mit ihren Romanen überzeugt – sie ist einsortiert in das Regal der Lieblingsautor:innen. Dolores Redondo begeistert mit ihren literarischen Spannungsromanen ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt. «Alles was ich dir geben will» stand monatelang auf der spanischen Bestsellerliste und wurde mit dem Premio Planeta, dem höchstdotierten Literaturpreis des Landes, ausgezeichnet. Redondo wurde außerdem für den CWA International Dagger Award nominiert und war Finalistin beim Grand Prix des Lectrices de ELLE. Sie wurde 1969 in San Sebastián geboren und lebt heute in der nordspanischen Region Navarra.

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