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Rezension zu
Das Leben in Nuancen

Beklemmende und berührende Geschichte über eine junge Frau, die (fast) an ihrer Trauer um ihre Freundin zerbricht und ihr Leben nicht mehr unter Kontrolle hat.

Von: schnäppchenjägerin
30.11.2022

Eve ist 26 Jahre alt, lebt in London, hat Kunst in Oxford studiert, hält sich jedoch mit Gelegenheitsjobs als Kellnerin über Wasser. Als sie nach einem Übergriff eines Gastes einem Rausschmiss zuvorkommt und kündigt, muss sie sich gezwungenermaßen einen neuen Job suchen, um die Miete bezahlen zu können. Sie findet eine Anstellung als Aktmodell und lernt dort Annie kennen, die sie darüber hinaus als Babysitterin für ihre sechsjährige Tochter engagiert. Mit Molly fühlt sich Eve erstaunlich wohl und zeigt ein unerwartetes Talent im Umgang mit Kindern. Sie selbst leidet darunter, als Fünfjährige von ihrer Mutter verlassen worden zu sein. Den Kontakt zu ihrem Vater, der sein Dasein als Alkoholiker fristet, hat sie abgebrochen. Halt geben Eve ihre Besuche im Museum, wo sie regelmäßig das Gemälde Manets von der Bardame Suzon betrachtet. Das Gemälde ist die Verbindung zu ihrer verstorbenen Freundin Grace. Die Erinnerungen an sie sind allgegenwärtig und ihr Tod der Grund, warum Eve ihr Leben nicht mehr auf die Reihe kriegt. Als Aktmodell stellt sich Eve vor Fremden bloß, zeigt aber nicht einmal Freunden, wie es in ihr aussieht. Nach der enttäuschenden Erfahrung mit ihren Eltern, die sie schon als kleines Kind im Stich gelassen haben, hat sie ihre beste Freundin verloren und quält sich mit Schuldgefühlen. Eve fühlt sich innerlich leer, wie ausgehöhlt, und treibt orientierungs- und ziellos durch ihr Leben. Der Roman schildert in Alltagsszenen, wie Eve mehr und mehr die Kontrolle verliert und weckt den Beschützerinstinkt im Leser und den Menschen, die es gut mit ihr meinen. Statt Hilfe anzunehmen, stößt sie andere vor den Kopf, insbesondere Max, deren platonische Beziehung sich zu einer Liebesbeziehung entwickelt hat. Während sie ihre eigenen Gefühle verbirgt, drängt sie in die Privatsphäre anderer ein und agiert schamlos übergriffig. Eves Verlorenheit und Perspektivlosigkeit sind eindringlich dargestellt. In ihrer selbstzerstörerischen Art lässt sie sich treiben, ertränkt ihre Sorgen in Alkohol, verliert wiederholt Arbeitsstellen und ihre Unterkunft. Sie agiert häufig kopflos, ohne über die Folgen nachzudenken, als ob ihr eigenes Leben und ihre Würde nichts wert wären. Durch die Einschübe in kursiver Schrift und die Rückblicke in die Vergangenheit erfährt man peu à peu, was sich mit Grace ereignet hat und was Eve so quält. Ein Lichtblick ist ihre Beziehung zu der sechsjährigen Molly, die dem Buch Leichtigkeit verleiht und von der Melancholie ablenkt. Durch die ungeschönte Darstellung kommt man Eve trotz ihrer Verschlossenheit rein in der Beobachtung ihrer Handlungen (und ihrer Passivität und Wehrlosigkeit) unheimlich nahe. Es ist eine beklemmende und berührende Geschichte über eine junge Frau, die ein Trauma nicht verarbeitet hat und hilflos mit ihrer Trauer und ihrer Depression kämpft. Bei dem spannenden Drama bleibt lange ungewiss, ob es noch zu einer großen Katastrophe kommt oder ein radikales Umdenken dazu führt, dass Eve ihre Abwärtsspirale stoppt. Das Ende ist dann versöhnlich, erscheint im Vergleich zur intensiven Vorgeschichte aber etwas lieb- und fantasielos.

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