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Rezension zu
Zur See

Sehnsucht nach Meer

Von: welterlesen
24.11.2022

Auf „Zur See“ von Dörte Hansen wurde ich durch zahlreiche Buchbesprechungen aufmerksam. Dort las ich von einem Roman, in dessen Sprache man sich beim ersten Satz verliebt. Und dass es unglaublich sei, wie die Autorin die Atmosphäre des Lebens auf einer deutschen Insel einfängt. Nun denn! An die Nordsee sollte also meine nächste literarische Reise gehen. Dort war ich sowohl literarisch als auch im wahren Leben schon lange nicht mehr. Und dennoch verzögerte sich mein Aufbruch und das lag an der Begeisterung, mit der gar manche Rezensentin von einem Roman, der fast ganz ohne Dialog auskommt, sprach. Ich für meinen Teil liebe Dialoge in Romanen. Wenn ich wählen müsste zwischen einem Roman, der nur aus direkter Rede besteht oder einem, der sich in detailverliebten Beschreibungen verliert, würde ich mich immer für Ersteren entscheiden. Ein bisschen war ich also in Sorge, dass mich ein Roman so ganz ohne Dialog nicht packen könnte. Schöne Sprache hin oder her. Und dann habe ich mich zum Glück doch an den Roman fast ohne Dialog gewagt. Und wie schon viele Rezensentinnen vor mir war ich vollkommen begeistert von der Sprache Dörte Hansens‘. Das ganze Buch ist voller Sätze, die ich mir am liebsten in Schönschrift notieren und einrahmen möchte. Wie zum Beispiel diese: „Man muss, wenn man auf einer Insel leben will, die Tagesränder suchen. Die Dämmerzeit zwischen Tag und Nacht, die frühen Nebelmorgen und die späten Regennachmittage. Man muss am Strand, beim Bäcker und im Supermarkt gewesen sein, bevor die erste Fähre mit den Bustouristen und den Fahrradfahrern kommt. Und man muss warten, bis die Abendfähre weg ist, wenn man allein auf einem Inselfriedhof stehen will.“ Das klingt so wunderschön und fasst im Übrigen auch den Inhalt des Romans zusammen: Das Leben der Einheimischen auf einer dieser pittoresken, doch rauen Nordseeinseln, heimgesucht von gestresstem Festlandvolk, das sich so gerne in Achtsamkeit übt und sich eine kleine Auszeit gönnen möchte. Aufgezeigt wird das am Beispiel der alteingesessenen Insel- und Seemannsfamilie Sander. Vater Jens fährt, wie es für Insulanerinnen üblich ist, zur See. Irgendwann verschwindet er jedoch komplett aus dem Leben seiner Familie, um sich auf eine einsame Vogelinsel zurückzuziehen. Zurück bleibt Mutter Hanne, die Pragmatische, die seit jeher tut, was notwendig ist. Das Leben als Seemannsbraut akzeptiert, aber nicht romantisch verklärt, so wie viele „Inselfrauen, die nicht mehr an Hafenkanten stehen wollen, winkend, wartend, Ausschau halten nach dem Schiff, das kommen wird oder auch nicht, nach Messingknöpfen, Bärten und verfrorenen Gesichtern.“ Ihr Auskommen sichert sie sich durch Feriengästinnen, die sie im Sommer in den Zimmern ihrer Kinder einquartiert und zu denen sie immer ein ambivalentes Verhältnis hat: „Der Umgang miteinander hatte immer etwas Ungenaues, nicht ganz Sauberes, es war ein Tauschgeschäft mit einem Beigeschmack. Gastfreundschaft, die von Herzen kommen mochte und trotzdem etwas kostete. Familienanschluss, den die Gäste nicht bezahlten, aber doch erwarteten.“ Tochter Eske pendelt zwischen ihrer Liebe am Festland und der Insel, wo sie als Altenpflegerin arbeitet. So ganz scheint sie nicht in unser Bild einer Inselbewohnerin zu passen. Das tut eher der älteste Sohn Ryckmer: „Ein Ryckmer Sander passt in ihren Nordseeurlaub wie der Austernfischer und der Seehund und die Kutterscholle.“ Man sieht an den wenigen Zitaten, wie wunderbar Dörte Hansen die Atmosphäre auf einer Nordseeinsel einfängt. So wunderbar, dass das Buch in mir die Sehnsucht nach einem Urlaub auf einer einsamen Nordseeinsel geweckt hat, auch wenn ich befürchte, dass das ganz und gar nicht die Intention der Autorin war.

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