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Rezension zu
Nachleben

Ein großartiges Epos aus der Zeit der Kolonialisierung Ostafrikas

Von: Buch_im_Koffer
13.11.2022

Es gibt diese Bücher, die man beendet, tief seufzt und einen Augenblick innenhalten muss, um wieder im Hier und Jetzt anzukommen. Dieser Roman vom Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah hat genau diese emotionale Sogwirkung auf mich ausgeübt. Der Roman reicht vom Ende des 19. Jahrhunderts bis hinein in die 1960er Jahre und spielt im damaligen, unter deutscher Kolonialherrschaft stehenden Ostafrika. Khalifa arbeitet als Buchhalter für den Kaufmann Amur Biashara. Beide müssen sich entsprechend ihrer Situation gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen stellen. - Ilyas wird mit gerade einmal elf Jahren für die deutschen Kolonialtruppen zwangsrekrutiert, befreit und kommt Jahre später in sein Dorf zurück, in dem er nur noch seine kleine Schwester Afiya vorfindet. Er bringt sie zu Khalifa, meldet sich selbst jedoch bei Ausbruch des 1. Weltkriegs als Freiwilliger für die deutschen Truppen. - Hamza ist ebenfalls freiwillig bei der deutschen Schutztruppe als persönlicher Diener für einen deutschen Oberstleutnant. Dieser stellt Hamza unter seinen persönlichen Schutz und bringt ihm Deutsch bei. Jahre später kehrt Hamza traumatisiert vom Krieg und mit einer schweren Verletzung in seine Heimatstadt zurück. Hier lernt er Khalifa und auch dessen „Ziehtochter“ Afiya kennen. Die beiden jungen Menschen verlieben sich. Allein ein Schatten liegt über ihrem Glück, denn Afiya hofft inständig auf ein Zeichen ihres vermissten Bruders Ilyas. Abdulrazak Gurnah ist ein wahrer Geschichtenerzähler! Dieser epische Roman lässt ein Ostafrika lebendig werden, das geprägt ist von Unterdrückung, Aufständen und Kriegen. In dem die einheimische Bevölkerung unter dem Druck und der Zwangsanpassung der Kolonialmächte stand, gleichzeitig aber auch von Bildung oder auch medizinischer Versorgung profitierte. In dem sich junge Männer wie auch Hamza den Askari, der afrikanischen Schutztruppe der Deutschen, anschlossen, und viel Unheil über die Bevölkerung brachten, ohne im Grunde zu wissen, für wen bzw. was sie kämpfen. Ein Ostafrika, in dem junge, gebildete Frauen langsam beginnen, gegen die traditionelle Rolle der Frau aufzubegehren. Gurnahs Sprache ich von einer Klarheit und Stärke, die jede Alltagssituation, jede noch so kleine Begegnung zu etwas Besonderem, Großen werden lässt. Umso ergreifender und nachhallender erscheinen da die Leben der Kolonisierten, die in scheinbar auswegloser Situation die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen auf ihrem Kontinent hinnehmen mussten. Nachleben ist ein wichtiges und ehrliches Buch. Es beurteilt und verurteilt nicht, sondern überlässt es den Leser*innen, die furchtbaren Schilderungen ebenso wie die kleinen, bewegenden Momente, einzuordnen und zu deuten. Großartig!

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