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Rezensionen zu
Nachleben

Abdulrazak Gurnah

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Familiengeschichte aus Tansania

Von: Japan Connect (Fabienne)

09.10.2023

In dieser Familiengeschichte, zeichnet Gurnah mit einer handvoll Protagonisten, das Schicksal Menschen unterschiedlichster Klassen im ehemaligen Deutsch Ostafrika (Tansania?). Wir begleiten Afiya und Hamza, wie sie sich während und nach der deutschen Kolonialzeit ihren Platz im Leben erkämpfen. Afiya ist eine kluges Waisenmädchen, das - für die damalige Zeit untypisch - auf Suaheli lesen und schreiben kann und sich der Suche nach ihrem verschollenen Bruder verschrieben hat. Hamza versucht seine Vergangenheit bei der deutschen Schutztruppen zu vergessen und ein einfaches Leben aufzubauen. Denn seine Deutschkenntnisse, die ihm früher zum Aufstieg verhalfen, sind nach der deutschen Kolonialzeit nicht mehr gefragt. Das Schicksal der beiden verwebt sich und ihre gemeinsame Suche nach dem Bruder von Afiya bringt eine schreckliche Begebenheit ans Licht.

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Was für ein sympathischer Mann der Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah ist! Ich habe ihn in diesem Jahr auf der Buchmesse (2022) zweimal erleben dürfen und er hat mich tief beeindruckt. Der dritte Roman ist nun auch auf Deutsch erschienen: Nachleben. Eva Bonné hat ihn vortrefflich übersetzt und alle Feinheiten gemeistert! Erzählt in klassischer Manier nimmt uns Gurnah mit auf eine Reise in die Vergangenheit und arbeitet die koloniale Besetzung Ostafrikas auf, besonders eine Gegend die sich heute in Tansania befindet. Eine Region aus der Gurnah selbst stammt. ‚ Nachleben‘ legt sein Augenmerkt auf die deutsche koloniale Besetzung von 1885 bis 1918 mit dem Umbruch während des 1. Weltkrieges und die folgende britische Verwaltung. Gurnah entwirft ein Panorama an Geschichten, die erst lose wirken, aber alle ineinandergreifen. Vom jungen Mann Iilyas, der sich den Askari anschließt und mit den Deutschen kämpft. Er verschwindet und wird Jahre später in Deutschland aufgespürt. Er lässt eine Schwester zurück, die bei Khalifa unterkommt, einem indischstämmigen Banker. Und dann ist da noch eine wichtige Figur: Hamza, ein bildhübscher Junge, den sich ein deutscher Offizier als Assistent krallt. Gurnah beschreibt und bildet ab, er urteilt nicht und gibt keine Meinungen wieder. Eine sanfte Art der Erzählung die eine vielschichte Art der Betrachtung zulässt. Der Blickwinkel der lokalen Unterjochten, es ist aus der Sicht der Afrikaner geschrieben. Es wird die ambivalente Grundeinstellung der kolonialen Mächte deutlich. Einerseits bringen sie Bildung, andererseits verheizen sie das Volk in ihren Kriegen. Mich hat der Roman stark bereichert, war mir die Kolonialherrschaft der Deutschen in Ostafrika nicht so präsent und vor allem die Askari kein Begriff. Hervorragend erzählt und anregend sich mit den historischen Gegebenheiten auseinanderzusetzen.

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Als Abdulrazak Gurnah 2021 den Literaturnobelpreis gewann, gehörte ich zu der Schar, die irritiert ausriefen "Wer?". Zusätzlich war kein übersetzter Titel lieferbar. Bezeichnend für ein Land und ein Volk, die so eines überhaupt nicht aufarbeiten wollen: Deutschlands Kolonien in Ostafrika. Letztere bzw überhaupt Kolonialgeschichte zieht sich aber als Thema durch Gurnahs Werk. In "Nachleben" führt Gurnah Charaktere zusammen, die alle in irgendeiner Form von der weißen Herrschaft und dem Ersten Weltkrieg betroffen und versehrt wurden. Ilyas wird zwangsrekrutiert, seine Schwester Afiya wächst bei Fremden auf, Hamza kämpft für die deutschen Truppen und wird schwer verletzt. Sie alle versuchen, sich "danach" ein normales Leben aufzubauen, mit Sicherheiten, Familie, einem Dach über dem Kopf. Es ist wichtig, dass solche Bücher hier gelesen werden, dass das Thema in deutsche Schullehrpläne aufgenommen und kritisch beleuchtet wird, dass die Brutalität der deutschen Herrschaft aufgearbeitet wird. Gut also, dass man Gurnah nun auf Deutsch lesen kann. Sehr gut, wenn der Nobelpreis dazu führt, dass hoffentlich bald niemand mehr fragt "wer?"...

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Seitdem der britisch-tansanische Autor Abdulrazak Gurnah im vergangenen Jahr den Literaturnobelpreis verliehen bekommen hat, sind bereits drei seiner auf Deutsch zuvor nur noch antiquarisch zu erhaltenden Roman neu im Penguin Verlag erschienen, das zuletzt erschienene Nachleben (Original 2020) in einer neuen Übertragung durch Eva Bonné. Die vorherigen Veröffentlichungen (Das verlorene Paradies und Ferne Gestade) haben genau wie der im kommenden Frühjahr erscheinende Titel Die Abtrünnigen ihre alten Übersetzungen beibehalten (lediglich durchgesehen), die von drei jeweils unterschiedlichen Übersetzer:innen stammen. Vier Bücher, vier Übersetzer:innen – das ist zwar verständlich (man will schnell liefern), aber auch bedauerlich. Der Atem der drei Verlage bei den drei zwischen 1992 und 2006 erstmals auf Deutsch veröffentlichten Titeln war anscheinend nicht lang genug, um dem Autor treu zu bleiben. Umso besser, dass sich nun der Penguin Verlag der Werke annimmt. Mit Nachleben liegt nun der zweite dezidiert historische Roman von Abdulrazak Gurnah vor, nachdem er in Ferne Gestade zwar auch mit historischem Bezug und allerlei Rückblenden ein modernes Fluchtschicksal zum Thema wählte. Nachleben nun kann man fast als eine Fortsetzung von Das verlorene Paradies lesen, da es zeitlich anknüpft und Ort und ähnliches Setting teilt. Wir befinden uns Anfang des 20. Jahrhunderts im damaligen Deutsch-Ostafrika. Das Deutsche Kaiserreich hat sich seit 1885 mit Verve in sein Kolonialabenteuer gestürzt und den späten Einstieg gegenüber Konkurrenzmächten wie Großbritannien, Frankreich oder Spanien durch besonderen Eifer zu kompensieren versucht. Dieser „Eifer“ zeigte sich leider in einer unglaublichen Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber der einheimischen Bevölkerung. "In den fast dreißig Jahren, die sie das Land nun besetzen, haben die Deutschen so viele Menschen getötet, dass die Erde von Schädeln und Knochen bedeckt und von Blut durchtränkt ist“. Dieses brutale Vorgehen unterschied sich doch sehr vom deutlich moderneren und letztendlich effizienteren Vorgehen der britischen Kolonialherren, die nach dem Ersten Weltkrieg das Land von den Deutschen „übernahmen“. In Nachleben schauen wir aber zunächst auf die blutige Zeit der deutschen Kolonisation. Und staunen, dass sich tatsächlich zahlreiche Afrikaner dieser Unterdrückungsmacht freiwillig in einer Kolonialarmee anschlossen. Natürlich wurden auch Männer zum Dienst gezwungen, aber viele der sogenannten Askaris versahen ihren Militärdienst mit einem gewissen Stolz und einer gewissen Bewunderung für die gründlichen, erbarmungslosen Kolonialherren. Meist dauerte diese Begeisterung aber nicht sehr lange an. So auch bei Hamza, einem der Hauptprotagonisten in Nachleben. Hamza hat einiges mit dem Protagonisten in Das verlorene Paradies gemeinsam. So wurde auch er einst von seinem Vater als eine Art „Pfand“ bei einem Kaufmann, bei dem der verschuldet war, zurückgelassen. Aus diesem „Sklavendasein“ erscheint der Dienst als Askari eine willkommene Flucht. Bald lernt Hamza aber die Grausamkeit und den Rassismus der Deutschen Militärs kennen. Sein direkter Vorgesetzter hegt homoerotische Neigungen zu ihm (was der Autor aber nicht näher ausführt), lehrt ihn lesen und schreiben und protegiert ihn. Auch einige Deutschkenntnisse kann Hamza sich hier aneignen. Ein anderer Vorgesetzter hat ihn aufgrund seiner privilegierten Stellung auf dem Kieker und verletzt ihn schließlich schwer. Bei einem deutschen Pastor wird er gesund gepflegt und fast liebevoll umsorgt. Es ist ein großer Verdienst der Literatur von Abdulrazak Gurnah, dass sein Schreiben nie in Schwarz-Weiß verfällt, sondern die gesellschaftliche und politische Komplexität immer im Auge behält und Ambivalenzen zulässt. Wieder gesund, kehrt Hamza in seine Heimatstadt zurück und tritt unter der Vermittlung von Khalifa in den Tischlereibetrieb von Amur Biashara ein. Der Araber Khalifa ist so etwas wie der zweite Hauptprotagonist. Er ist Buchhalter und verheiratet mit der frömmelnden, strengen Bi Asha. Die Beiden sind kinderlos und haben die kleine Schwester von Khalifas Freund Ilyas an Kindesstatt angenommen. Dieser Ilyas ist die dritte Hauptfigur und gleichzeitig die große Leerstelle im Roman. Ilyas ist als ganz kleiner Bub aus seinem armen Elternhaus ausgerissen, wird von Söldnern aufgegriffen und landet schließlich in einer christlichen Missionsschule. Auch er erwirbt hier einige Bildung und vor allem Deutschkenntnisse. Als Erwachsener erfährt er, dass er noch eine jüngere Schwester besitzt, seine Eltern aber inzwischen tot sind. Er macht sich auf die Suche und findet schließlich Afiya. Sie ist es, die er bei seinem Freund Khalifa zurücklässt, als er sich seinerseits der Deutschen Kolonialarmee als Askari anschließt. Während Hamza verletzt, körperlich beeinträchtigt und mit Traumata aus dem Krieg heimkehrt, bleibt Ilyas verschollen. Es kommt zu einer Annäherung zwischen Hamza und Afiya, die Beiden heiraten und bekommen einen Sohn, den sie Ilyas nennen. Und der später - am Ende des Buchs befindet man sich schon in den 1950er Jahren - noch die Spur seines Onkels und Namensvetters, die nach Deutschland führt, verfolgt. Abdulrazak Gurnah hat mit Nachleben ein wunderbar episches, erhellendes und spannendes Buch geschrieben. Seine elegante, eher nüchterne Sprache und der genaue Blick lassen keinerlei Exotik oder Afrika-Romantik aufkommen. Er erzählt differenziert, nachdenklich und zurückhaltend, niemals wertend. Das ist erzählerisch vielleicht ein wenig konventionell, aber dem hochinteressanten Thema der deutschen Kolonialgeschichte absolut angemessen. Die Erzählfäden, die zunächst locker nebeneinander her laufen, verknüpft er geschickt. Ein historischer Roman, wie er sein soll. Und einer, der mit seiner Thematik immer noch hochaktuell ist. Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte hat gerade erst begonnen.

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Es gibt diese Bücher, die man beendet, tief seufzt und einen Augenblick innenhalten muss, um wieder im Hier und Jetzt anzukommen. Dieser Roman vom Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah hat genau diese emotionale Sogwirkung auf mich ausgeübt. Der Roman reicht vom Ende des 19. Jahrhunderts bis hinein in die 1960er Jahre und spielt im damaligen, unter deutscher Kolonialherrschaft stehenden Ostafrika. Khalifa arbeitet als Buchhalter für den Kaufmann Amur Biashara. Beide müssen sich entsprechend ihrer Situation gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen stellen. - Ilyas wird mit gerade einmal elf Jahren für die deutschen Kolonialtruppen zwangsrekrutiert, befreit und kommt Jahre später in sein Dorf zurück, in dem er nur noch seine kleine Schwester Afiya vorfindet. Er bringt sie zu Khalifa, meldet sich selbst jedoch bei Ausbruch des 1. Weltkriegs als Freiwilliger für die deutschen Truppen. - Hamza ist ebenfalls freiwillig bei der deutschen Schutztruppe als persönlicher Diener für einen deutschen Oberstleutnant. Dieser stellt Hamza unter seinen persönlichen Schutz und bringt ihm Deutsch bei. Jahre später kehrt Hamza traumatisiert vom Krieg und mit einer schweren Verletzung in seine Heimatstadt zurück. Hier lernt er Khalifa und auch dessen „Ziehtochter“ Afiya kennen. Die beiden jungen Menschen verlieben sich. Allein ein Schatten liegt über ihrem Glück, denn Afiya hofft inständig auf ein Zeichen ihres vermissten Bruders Ilyas. Abdulrazak Gurnah ist ein wahrer Geschichtenerzähler! Dieser epische Roman lässt ein Ostafrika lebendig werden, das geprägt ist von Unterdrückung, Aufständen und Kriegen. In dem die einheimische Bevölkerung unter dem Druck und der Zwangsanpassung der Kolonialmächte stand, gleichzeitig aber auch von Bildung oder auch medizinischer Versorgung profitierte. In dem sich junge Männer wie auch Hamza den Askari, der afrikanischen Schutztruppe der Deutschen, anschlossen, und viel Unheil über die Bevölkerung brachten, ohne im Grunde zu wissen, für wen bzw. was sie kämpfen. Ein Ostafrika, in dem junge, gebildete Frauen langsam beginnen, gegen die traditionelle Rolle der Frau aufzubegehren. Gurnahs Sprache ich von einer Klarheit und Stärke, die jede Alltagssituation, jede noch so kleine Begegnung zu etwas Besonderem, Großen werden lässt. Umso ergreifender und nachhallender erscheinen da die Leben der Kolonisierten, die in scheinbar auswegloser Situation die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen auf ihrem Kontinent hinnehmen mussten. Nachleben ist ein wichtiges und ehrliches Buch. Es beurteilt und verurteilt nicht, sondern überlässt es den Leser*innen, die furchtbaren Schilderungen ebenso wie die kleinen, bewegenden Momente, einzuordnen und zu deuten. Großartig!

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Nachleben

Von: gosureviews

20.09.2022

Mein zweites Buch, das ich vom Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah (2021) gelesen habe, und das ich um einiges besser fand als "Das verlorene Paradis". In seinen Büchern beschäftigt er sich mit dem Kolonialismus, der deutschen Besatzung Ostafrikas und vor allem mit der Besatzung Tansanias, seines Heimatlandes. Mir fällt es immer schwer, Bücher über den Kolonialismus zu lesen, und ich werde mir nie vorstellen können, wie Menschen ein fremdes Land besetzen und die Bewohner quälen oder als minderwertige Menschen behandeln können. Zum Glück ist es kein Buch, das nur von der Grausamkeit der Kolonisatoren erzählt und grausame Szenen beschreibt, im Gegenteil, solche Szenen gibt es zum Glück nicht viele. Die Geschichte spielt in den ersten Jahren der 1900er und wir folgen den verschiedenen Charakteren in ihrem täglichen Leben. Da sind: ein einheimischer Kaufmann und seine Frau, die beschließen, ein Waisenmädchen bei sich aufzunehmen, weil sich ihr Bruder der Schutztruppe (der deutschen Armee in Ostafrika) angeschlossen hat; ein Junge, der sich der Schutztruppe anschließt und was mit ihm während des Krieges und nach der Niederlage der deutschen Armee geschieht; und einige Nebenfiguren, obwohl alle Figuren miteinander verbunden sind. Das Buch erzählt auch von den Menschen, die nicht direkt an den Kämpfen beteiligt waren; es geht um Familienbande, Freundschaft, Liebe, Bräuche und Traditionen.... das tägliche Leben mit seinen Höhen und Tiefen in jenen Jahren. Und natürlich wird auch deutlich, wie der Kolonialismus das Leben der Menschen vor Ort verändert hat. Das Buch ist sehr fließend und der Erzählton bleibt durchgehend flach und linear, als ob der Autor nicht emotional beteiligt wäre. Er scheint von den Ereignissen losgelöst zu sein und spricht von ihnen wie von einer Chronik der Ereignisse, als sei er ein externer Beobachter. Aber die Figuren sind lebendig und anschaulich. Diese glatte und lineare Erzählweise war etwas gewöhnungsbedürftig. Ich war nur ein wenig enttäuscht über das abrupte Ende des Buches. Es war nicht wirklich abrupt, die Geschichte hat ein Ende, aber auf ein paar Seiten fasst der Autor schnell und kurz zusammen, was in den folgenden Jahren passiert ist.

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