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Rezension zu
Die Gartenparty

Zwischen Cechov und Woolf

Von: Buecherbriefe
11.11.2022

Mit Die Gartenparty legt der Manesse-Verlag eine Sammlung der hierzulande immer noch unterschätzten Schriftstellerin Katherine Mansfield vor. Vielen gilt sie als die Meisterin der Kurzgeschichte – doch ist dies wirklich der Fall? Slice of Life Den Inhalt der 27 in diesem Band versammelten Geschichten wiederzugeben, ohne die Pointen der Geschichten vorwegzunehmen, stellt sich dabei als eine nicht zu bewältigende Aufgabe heraus. Den Ausgangspunkt von Mansfield Erzählungen bilden nämlich beinahe schon banale Alltagssituationen wie die Vorbereitung zu einer Party, Spaziergänge im Freien oder auch das einfache Gespräch. Ihren Reiz erfahren diese Schilderungen erst durch die präzisen Beobachtungen und Wahrnehmungen ihrer Figuren und oft ist es nur ein beiläufig daher geworfener Satz, der die ganze Geschichte nachhaltig verändert. Die Geschichten im Einzelnen vorzustellen würde daher damit verbunden sein, wesentliche Schlüsselszenen ihrer Beobachtungen vorwegzunehmen und damit das Lesevergnügen erheblich zu schmälern. Aus diesem Grund verzichte ich an dieser Stelle auf allzu viele Details und hoffe euch Mansfield auf einer etwas abstrakteren Ebene näher bringen zu können. Ein bewegtes Leben Ich frage mich, ob es nur meiner subjektiven Wahrnehmung geschuldet ist, aber ich habe das Gefühl, dass gerade Schriftstellerinnen in vergangenen Zeiten tendenziell „aufregendere“ Leben geführt haben als ihre heutigen Kolleginnen und Kollegen: Man denke nur an starke Frauengestalten wie Clarice Lispector, Virginia Woolf oder auch James Tiptree Jr. – sie alle führten ein Leben, das mindestens genau so interessant ist wie ihre eigenen Geschichten. Jedenfalls könnte man zum Leben von Katherine Mansfield deutlich mehr schreiben, als es der Rahmen dieser Rezension zulassen würde, daher folgen hier nur die wichtigsten Eckdaten. Die geborene Katherine Beauchamp kommt 1888 in Wellington, Neuseeland als Tochter einer wohlhabenden Familie zur Welt und verbringt dort ihre Kindheit. Mit vierzehn Jahren verlässt sie die Insel erstmals Richtung Europa und studiert in London, wo sie erste Verbindungen zur damaligen Literaturszene rund um D.H. Lawrence und Virginia Woolf aufbaut. Nach ihrem Abschluss kehrt sie für ein kurzes Gastspiel in ihre alte Heimat zurück, bis es sie schließlich mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet endgültig nach Europa zieht. 1909 wird sie schließlich schwanger und soll das Kind im beschaulichen Kurort Bad Wörishofen abgeschottet von der Öffentlichkeit zur Welt bringen. Eine Fehlgeburt beendet ihren Aufenthalt, doch zumindest in literarischer Hinsicht war ihr Aufenthalt dort ein Glücksfall: Sie stößt dort nämlich auf das Werk des zu dieser Zeit relativ unbekannten Anton Cechov, dessen skizzenhaften Darstellungen und Motivwahl ihr Werk nachhaltig prägen sollte. Nach ihrer Rückkehr ins literarische Leben gelang es ihr 73 viel beachtete Kurzgeschichten zu schreiben, bis sie im Jahre 1923 im Alter von nur 34 Jahren an den Folgen einer Tuberkulose Erkrankung verstarb. Meisterin des Augenblicks Ungeachtet ihres kurzen Lebens gilt sie vielen als Meisterin der Kurzgeschichte (ein zugegebenermaßen inflationär gebrauchter Begriff…). Doch was macht ihre Geschichten so besonders? Wie schon bereits weiter oben beschrieben, handelt es sich bei ihren Geschichten in bester Slice of Life-Tradition um episodenhafte Erzählungen aus dem Alltag der oberen Gesellschaftsschichten. Rein zeitlich lässt sich dabei keine genaue Grenze festlegen, manchmal decken ihre Geschichten wenige Minuten, manchmal wiederum mehrere Tage ab. Rein äußerlich geschieht in den meisten Fällen auch nichts Aufregendes, der Anblick eines aufgebahrten Leichnams darf dabei schon als spannungsgeladener Höhepunkt des gesamten Bandes bezeichnet werden und vor wirklich existentiellen Problemen stehen ihre Figuren nicht. Viel wichtiger als diese äußerliche Komponente ist dabei die innere Perspektive: Mansfield gelingt es mit nur wenigen sprachlich ausgefeilten und treffenden Sätzen feinfühlige Portraits ihrer zumeist weiblichen Figuren zu zeichnen, die sich in einem Spannungsfeld zwischen sozialen Erwartungen und eigenen Gefühlen befinden. Auf Fragen zu Themen wie Emanzipation und Glück versuchen sie ihre eigenen Antworten zu finden und müssen mit den Konsequenzen ihres Handelns zurechtkommen. Mansfield gelingt es dabei, die ganze Komplexität der oben aufgeworfenen Fragestellungen in wenigen Sätzen zu treffen und im richtigen Moment auszudrücken. Es ist faszinierend, wie wenige beinahe schon beiläufig daher geworfene Sätze die Kraft haben, eine ganze Geschichte nachhaltig zu verändern und im Nachhinein etwa aus einem Abend unter Freunden eine Studie zum Zustand einer Ehe machen. Da Mansfield immer wieder mit anderen großen Namen in Verbindung gebracht wird, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, einen kurzen Vergleich mit den häufigsten Verweisen durchzuführen und euch auf diesem Wege die Einordnung ihres Werks erleichtern. Den gelegentlich vorgebrachten Vergleich mit Kafka möchte ich dabei gleich von der Hand weisen, bis auf eine gewisse zeitliche Überschneidung und der gemeinsamen Erzählform haben sie wirklich nicht viel gemeinsam. Virginia Woolfs Werk hingegen stellt eine interessante Annäherung dar. Genau wie Woolf stellt Mansfield das Innenleben ihrer Figuren in den Vordergrund und beleuchtet diese durch präzise und einfühlsame Beschreibungen. Allerdings ist Mansfield auch deutlich selektiver und wählt nur kurze Augenblicke, in denen wir in die Seele ihrer Figuren blicken dürfen. Der häufig genannte Vergleich mit Anton Cechov scheint mir persönlich am einleuchtendsten. Thematisch unterscheiden sich ihre Geschichten nicht sonderlich stark voneinander, bei beiden geht es um Alltagssituationen im zwischenmenschlichen Bereich, auch wenn Cechovs Geschichten deutlich geerdeter und einen Tick humorvoller sind. Stilistisch trennen beide dennoch Welten. Während Cechov beinahe schon minimalistisch schlicht seine skizzenhaften Erzählungen fließen lässt, widmet Mansfield sowohl der Gedankenwelt ihrer Figuren als auch der Außenwelt wesentlich mehr Aufmerksamkeit in Form von ausschmückenden Beschreibungen. Was bleibt? Ich persönlich bin dankbar für das Klassikerinnen Jahr des Manesse Verlages, bin ich doch so auf Schriftstellerinnen gestoßen, die sonst tendenziell an mir vorbeigegangen wären. Zum Abschluss dieses Jahres stellt Die Gartenparty von Katherine Mansfield dabei noch einmal ein echtes Highlight dar: Inhaltlich erinnert sie an Cechov, stilistisch mehr an eine Virginia Woolf. Katherine Mansfield schafft es damit, das Beste aus beiden Welten miteinander zu verbinden und dennoch ihre persönliche Note nicht zu verlieren. Eine klare Leseempfehlung für Freunde sprachlich ausgefeilter Kurzgeschichten! Fazit Mit Die Gartenparty liegt ein ruhiger Erzählband vor, der durch sprachliche Brillanz und inhaltliche Brisanz begeistern kann. Für Freunde von Woolf und Cechov uneingeschränkt zu empfehlen!

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