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Rezension zu
Das Versprechen

Das Erbe der Voortrekker

Von: Atalante
01.07.2022

„…die Familie Swart hat so gar nichts Besonderes oder Bemerkenswertes, o nein, sie gleicht der Familie von der Nachbarfarm und der Nachbarfarm der Nachbarfarm, nur ein gewöhnlicher Haufen weißer Südafrikaner, und wenn du es nicht glaubst, brauchst du nur einmal darauf zu achten, wie wir sprechen. Wir klingen nicht anders als die anderen Stimmen, wir klingen ganz genauso, und wir erzählen dieselben Geschichten, in einem breiigen Akzent, mit geköpften Konsonanten und gequetschten Vokalen. Unsere Seele ist irgendwie verrostet, regenfleckig und verbeult, und das hört man unserer Stimme an.“ Wie im vor kurzem besprochenen Roman von Aline Valangin spielt ein Haus eine Rolle. Kein prachtvoller Palazzo, sondern eine ruinöse Hütte, abgelegen auf dem weitläufigen Gelände einer Farm außerhalb Pretorias. Dort lebt Salome, das schwarze Hausmädchen, die der Besitzer „beim Kauf gratis dazubekommen hat“. Auch wenn sie von den Swarts als Inventar und kaum als Individuum betrachtet wird, spielt sie eine wichtige Rolle im Familiengefüge. Sie hat die Kinder Anton, Astrid und Amor aufgezogen und pflegte deren Mutter Rachel. Als diese stirbt, nimmt Rachel ihrem Mann das Versprechen ab, die Hütte in Salomes Besitz zu geben. Ein Wunsch, der wegen der Apartheid-Gesetze nicht verwirklicht werden kann. Am Leitmotiv des uneingelösten Versprechens verfolgt Damon Galgut das Leben der einzelnen Familienmitglieder. Sie sind so disparat, daß nur die Todesfälle die Figuren zusammenkommen lassen. Diese Ereignisse, der Tod der Mutter, des Vaters, der Tochter Astrid und des Sohns Anton bilden die vier Kapitel des Romans. Im Jahr 1986, als das erste Kapitel einsetzt, befindet sich die Apartheid in Auflösung. Überall im Land kommt es zu Unruhen. Die vom rigiden Regime der Rassentrennung diskriminierte nichtweiße Bevölkerung Südafrikas setzt sich zur Wehr. Die Swarts nehmen lediglich Verkehrsbehinderungen im benachbarten Township wahr, die sich anbahnende gesellschaftliche Veränderung passt nicht in das Weltbild der Nachkommen einer Burenfamilie. Ausbeutung, Vertreibung, Unterdrückung, Rassismus und Korruption, Missstände, die Südafrika bis heute plagen, sind die eigentlichen Themen dieses Romans. Der 1963 in Pretoria geborene, bereits mit 17 als Autor in Erscheinung getretene Galgut, verwebt sie zu einer Familiengeschichte, die über drei Jahrzehnte trägt. Für sein Erzählen wählt er eine literarisch anspruchsvolle Form, in der, was angesichts der Themen überraschen mag, der Humor nicht fehlt. Jeder seiner Figuren verleiht er eine Stimme. Ein personaler Erzähler, der bisweilen in die Ich-Form fällt, schildert die Gedanken und das Erleben des Einzelnen. Nicht nur die Hauptfiguren kommen auf diese Weise zu Wort, auch zahlreichen Nebenfiguren, sogar Tiere. Die Perspektivwechsel vollziehen sich schnell. Auf den ersten Seiten des Romans sind sie noch mit Namen markiert. Im weiteren Verlauf weisen nur Personalpronomen auf den jeweiligen Sprecher hin, manchmal sind die Übergänge fließend. Galgut erzeugt so eine gewollte Uneindeutigkeit zwischen zwei Erzählstimmen, die zugleich zur Verbindung wird. Da denkt die Ex-Freundin Amors über deren Selbstaufopferung nach und es folgt eine Aussage in der Ich-Perspektive, die sowohl als Antwort Amors wie als Aussage der im folgenden Abschnitt auftretenden Astrid gelesen werden kann und zudem für beide Figuren gleichermaßen gilt. „Susan hat recht, (…) irgendetwas treibt Amor dazu, das Leid zu suchen, um es zu lindern. (…) Vielleicht ist das der Grund. Vielleicht will ich mich so bestrafen. Doch kaum dass sie es ausgesprochen hat, weiß Astrid, dass es nicht wahr ist. Auf den Knien im Beichtstuhl, zum ersten Mal seit einem halben Jahr, und sie hat die Gabe verloren, die Wahrheit zu sagen.“ Neben den Figurenstimmen kommentiert ein auktorialer Erzähler das Geschehen, bisweilen in direkter Ansprache an den Leser. „Und so waren die einzigen beiden Personen, die an Rachel Swarts Bett wachten, als deren Zeit gekommen war, ihr Ehemann alias Pa oder Manie und die kleine Schwarze, wie heißt sie noch gleich, Salome, die aber, logischerweise, nicht zählt.“ Vielleicht ist dies mit ein Grund, weshalb Salomes Stimme nur ein einziges Mal erklingt? Sie spricht ein Gebet für Rachel, in dessen Schlusssatz sie sich bei Gott für das Erbe bedankt, auch dies ein Indiz für Galguts Humor. Diesen zeigt er bereits bei den sprechenden Namen seiner Figuren. Allen voran die Swarts, die als Voortrekker-Nachfahren doch besser Weiß heißen würden. Den katholischen Priester tauft er Batty, bekloppt, den protestantischen Simmer, was mit verschliffener Aussprache, der Sünde, Sinner, sehr nahekommt. Beide Zuschreibungen spiegeln sich im Charakter der Geistlichen. Die wankelmütige Astrid darf sich seit ihrer zweiten Ehe Moody, launisch, nennen. Es gibt auch positive Namen wie Amor, Desirée und Salome. Bei letzterer mag man die Jüngerin Jesu denken, die der Legende nach eine Schwester Marias gewesen sein soll. Trotz dieses mit der Bibel konnotierten Namens kommt die Kirche schlecht weg in diesem Roman. Galgut kommentiert ihre katholischen wie auch ihre niederländisch-reformierten Vertreter und Rituale mit beißendem Humor. Manies Tod nach dem Schlangenbiss ist das Ergebnis der fixen Idee des strenggläubigen Reptilienfarmbesitzers. Er zielte auf den Rekord im Zusammenleben mit einer Schlange. Je länger, umso mehr Spenden erhofften sich der Gläubige und der Priester, doch Satan war dagegen. Mit ihrem Verhalten sind die Kirchenvertreter, aber auch esoterische Heilsbringer, ein Quell des meist subtilen Spotts. Einzig Judentum und Islam, die ebenfalls eine, wenn auch kleinere Rolle spielen, werden verschont. Eine Erklärung bietet die Rolle der evangelischen wie katholischen Kirche in der Missionierung und Sklavenfrage. Dominee Simmers betrachtet die Apartheid als von Gott verfügt, dessen Wunsch sei es, „dass in anderen Räumen die Söhne und Töchter Hams zum Nutzen und Frommen ihrer Herren und Herrinnen schuften, Holz hacken, Wasser schöpfen und überhaupt denjenigen ein lebenswertes Leben bereiten, die das schwere Joch der Führung tragen.“ Angesichts dessen, amüsiert es umso mehr, wen Galgut dem Priester zur Unzucht überlässt. Dies mit der 2016 von Franziskus erlassenen „Amoris laetitia“ in Zusammenhang zu bringen, wäre jedoch interpretatorisch überzogen. Lieber Leser, du siehst ich hatte auf viele Weisen Spaß mit diesem Buch, das ich, auch wenn du ein guter Christ sein solltest, dir ans Herz lege. Zum einen erinnert es an Vieles, was man als blauäugiger Europäer vielleicht vergessen hat, zum anderen klärt es die wichtige Frage: „Musste Jesus jemals aufs Klo?“

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