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Rezension zu
Städte aus Papier

Fantasie, Natur, Worte, Verse

Von: Lesereien
14.06.2022

Emily Dickinson oder die Einsiedlerin, die sich in der zweiten Hälfte ihres Lebens zunehmend im Haus einsperrte, um schließlich ihr Zimmer nicht mehr zu verlassen. Emily Dickinson, von der es nur ein einziges Foto als Erwachsene gibt. Die Geheimnisvolle also, die Entrückte und der Welt Abgewandte. Die Dichterin, die zu ihren Lebzeiten fast nichts veröffentlicht hat und deren Gedichte nur langsam in ihrem Bedeutungsreichtum von der Nachwelt freigelegt und verstanden werden. Sich solch einer Figur als Autorin zu nähern, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen. Dominique Fortier hat es gewagt und es ist dabei ein Text entstanden, der der Dichterin gerecht wird. Denn er versucht nicht zwanghaft, nach Gründen ihrer Isolation zu suchen, er will nicht unbedingt logisch analysieren und erklären, sondern lässt Dickinson durch ihre Lyrik, durch ihre eigenen Worte, Beobachtungen und durch ihre eigene Sicht auf die Welt vor den Augen des Lesers lebendig werden. Das geschieht auf eine feinfühlige und poetische Weise, die teilweise sehr impressionistisch wirkt und Eindrücke einfängt, die sich erst im Laufe des Romans zusammensetzen und ein vielschichtiges Gesamtbild entstehen lassen. Fortier erschafft das Porträt einer Dichterin, die einen ganz eigenen Bezug zur Realität hat, die die Welt durch ihre Fantasie anders betrachtet als ihr Umfeld. Für die Schornsteine zu gestrandeten Ozeandampfern werden. Und die sich fragt: “Wer braucht schon Gott, wenn es Bienen gibt?”. Fantasie, Natur, Wörter, Verse. All das prägt Fortiers Emily und ihr Schaffen. Vielleicht ist das Leben der Emily Dickinson eines gewesen, das an der Realität zerbrochen ist. Vielleicht ist es aber auch eines gewesen, das zu groß war, um in der Welt genügend Platz zu finden, das sich geweigert hat, vorgeschriebene Wege zu beschreiten und das deshalb in die Poesie ausweichen musste, um sich entfalten zu können. Fortiers Roman legt letztere Idee nahe.

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