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Rezension zu
Das Versprechen

Ein Versprechen, eine Familie, ein Land

Von: Lesereien
12.01.2022

Auf einer Farm in Südafrika ist die Familie Swart zur Beerdigung versammelt. Rachel, die Mutter von Astrid, Anton und Amor, ist gestorben. Vor ihrem Tod hat sie ihrem Mann ein Versprechen abgerungen. Er soll der schwarzen Haushaltsgehilfin Salome ein Haus auf dem Grundstück schenken. Doch nur die junge Amor ist Zeugin dieses Versprechens und muss in den folgenden Jahrzehnten mitansehen, wie zuerst das Gesetz und dann die einzelnen Familienmitglieder sich ihm entgegenstellen, es verdrängen und wie es doch immer wieder an die Oberfläche steigt, wie es gar zu einem Fluch für die ganze Familie wird. Vor dem Hintergrund der südafrikanischen Geschichte erzählt Damon Galgut vom Zerfall und der Auflösung einer Familie. Er geht einzelnen Schicksalen und Lebensläufen nach, zeichnet die Leere im Leben seiner Figuren und die Distanz im Zwischenmenschlichen mit viel Tiefe. Sein Blick ist dabei stets klar, scharf, ungetrübt. Das Versprechen an die Dienerin steht zu Beginn des Zerfallnarrativs und ist die Metapher für etwas weitaus Größeres: Für die Inbesitznahme von fremdem Land, für Ungerechtigkeit, Uneinsichtigkeit, Starrheit. Das wohl Faszinierendste an diesem Roman ist seine Erzählinstanz. Der allwissende Erzähler wechselt von einer Figur zur nächsten, manchmal mitten im Satz, schlüpft in ihre Gedanken, lässt sie mal zu Wort kommen, gibt ihre Gedanken wie in einem Bewusstseinsstrom wieder, um sie im nächsten Moment zu unterbrechen, mit ihnen zu reden oder sie sogar zu korrigieren. Seine Allwissenheit ist dabei nicht nur auf Menschen beschränkt. Er kann sich in Tiere genauso hineinversetzen wie in Geister. Der Erzähler ist die Instanz der Wahrheit, ist ironisch, humorvoll und manchmal bitterböse: “Und so humpeln sie denn, verflochten, über den unebenen Boden, durch das verrostete Eisentor und zwischen den Grabsteinen hindurch, morsch und vermodert, wohlgemerkt, die Grabsteine und nicht etwa das Paar, obwohl, auf ihre Art und Weise sind auch sie morsch und vermodert.” Doch vor allem thematisiert er das Schreiben selbst. So macht er zum Beispiel auf seine eigene Sprache aufmerksam: “[M]an beachte die nautischen Begriffe”. Er bricht an mehreren Stellen mit der Fiktion und verleiht der Geschichte einen Charakter von Unfertigkeit. Es entsteht der Eindruck, als würde sie sich im Entstehen befinden: “Sagen wir, sie sitzen um den Esstisch. Oder stehen quer zueinander im Wohnzimmer. Oder auf der vorderen stoep, die einen unten in der Einfahrt und die anderen oben, gleichsam in gehobener Stellung. Aber das spielt keine Rolle.” Auch Selbstkritik, beziehungsweise Kritik am Autor, scheut er nicht: “Himmel, Anton, welcher Schmierfink schreibt dir deine Gedanken?” Manchmal hat dieses Erzählen etwas Filmisches. Dann scheint es, als würde der Erzähler bestimmte Szenen heranzoomen, das Geschehen erst aus der Weite betrachten und dann immer näher herangehen. Doch in seiner stimmigen Konstruktion, in seinem tönenden Chor aus Stimmen, Gedanken und Szenen ist der Roman jedem Film weit überlegen. Zu Recht wurde diesem Buch im letzten Jahr der Booker Prize verliehen!

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