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Rezension zu
Vermintes Gelände – Wie der Krieg um Wörter unsere Gesellschaft verändert

Am Puls der Zeit

Von: kitumba
03.04.2022

Es gibt wenige Bücher, die mich so begeistern und gefangen nehmen, dass ich es gar nicht erwarten kann, weiterzulesen - das gilt besonders für Sachbücher. Dieses Buch war die große Ausnahme. Schon auf den ersten Seiten hat alles in mir gejubelt: „Ja! Ja! Ja!“, und das hat sich auch im späteren Verlauf des Buchs nicht geändert. Um es gleich vorwegzunehmen: Die beiden Autor*innen, Petra Gerster und Christian Nürnberger, sind Verfechter des Genderns. Nicht auf Teufel komm raus, doch in einem gesunden Maß. Es geht in diesem Buch aber nicht nur um dieses Thema, an dem sich zurzeit so viele Gemüter erhitzen, sondern generell um den Gebrauch einer diskriminationsfreien und wertschätzenden Sprache. Dabei werden die verschiedensten Themen durchleuchtet und jeweils mit unzähligen Quellenangaben belegt: Warum heißt es heutzutage Schaumkuss? Dürfen Texte von Schwarzen nur noch von Schwarzen übersetzt werden? Was hat es mit dem LGBTQIA+-Bandwurm auf sich? - um nur ein paar zu nennen. Was mir besonders an dem Buch gefällt, ist, dass es mir Munition an die Hand gibt für Menschen, die mir gerne mal entgegenschleudern: „Immer dieses Anglizismen! Kannst du nicht Deutsch reden? Außerdem lasse ich mir doch nicht vorschreiben, wie ich zu reden habe und welche Wörter ich nicht mehr sagen darf. Ich rede, wie ich schon immer geredet habe, wir sind immerhin noch ein freies Land!“ Bisher hatte ich nur lahm geantwortet: „Die deutsche Sprache lebt nun mal und verändert sich dadurch.“ Jetzt sind mir die Hintergründe bewusst, warum es eben nicht okay ist, manche Wörter zu verwenden, und ich habe endlich die Argumente, die mir bisher gefehlt haben. Das Buch ist mit einer erfrischenden Ironie geschrieben, bei der ich immer wieder über beide Ohren grinsen musste. Die Autor*innen nehmen kein Blatt vor den Mund, sie decken falsche Argumente auf und gehen schonungslos mit Personen des öffentlichen Lebens ins Gericht, die dazu beitragen, dass wir weiterhin durch unseren Sprachgebrauch diskriminieren. Ich persönlich fand, dass es dabei nie unter die Gürtellinie ging. Allerdings kann ich nicht für diejenigen sprechen, die aufs heftigste das generische Maskulinum vertreten und auf ihr Recht pochen, auch heute noch Wörter zu benutzen, die vor dreißig Jahren noch okay waren, aber heute eben nicht mehr. Ich würde davon ausgehen, dass solche Menschen sich mit diesem Buch sehr auf den Schlips getreten fühlen. Ich stimme den Autor*innen vielleicht nicht in jedem einzelnen Punkt uneingeschränkt zu, doch schließlich hat der Dialog gerade erst begonnen und wir sind alle noch dabei, den richtigen Umgang mit einer neuen Situation – der Inklusion von bisher nicht berücksichtigten und/oder diskriminierten Menschen – zu finden. Man merkt, wie tiefgehend die beiden über die Thematik nachgedacht haben, wie viel sie recherchiert haben und dass sie sich sehr gut mit der Materie auskennen. Das Buch ist absolut am Puls der Zeit. Nicht nur enthält es etliche Quellen der letzten beiden Jahre, sondern es beschäftigt sich auch mit einem Thema, das aktueller nicht sein könnte: Der Diskussion darüber, wie wir künftig mit der deutschen Sprache umgehen möchten. Diese Debatte wird häufig so erhitzt und emotional geführt und geht teilweise sogar bis zu Vergewaltigungsdrohungen und Todeswünschen (und das ist nur, was ich selbst mitbekommen habe bei Menschen, die sich für ein diskriminationsfreies Umfeld einsetzen), dass ich wirklich den Hut ziehe vor dem Mut von Petra Gerster und Christian Nürnberger, die sicherlich mit einigen Anfeindungen rechnen dürfen. Ich kann nur jedem empfehlen, das Buch zu lesen und sich mit diesem wichtigen Thema auseinanderzusetzen.

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