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Rezension zu
Terror - Das Recht braucht eine Bühne

Der schmale Grad

Von: Reading.out.loud
09.05.2021

Viele Fragen, keine Antworten- zerrissen zwischen Moral und Grundgesetz, zwischen Notstand und Menschenwürde. So hat mich das vielseitig gerühmte Theaterstück "Terror" von Ferdinand von Schirach zurückgelassen. Ich war mir meiner zunächst sicher, fühlte mich im Verlauf gar bestärkt, um dann zum Schluss zu akzeptieren, dass ich bloß ein weiterer Laie in der komplexen moralischen Welt eines Rechtsstaates bin, nichts so einfach scheint wie angenommen und ich alles und zugleich nichts weiß. Und empfinde ich das als unangenehm? Meine ehrliche Antwort lautet Nein, denn selten begleitet mich ein Stück so lange und ist übertragbar auf so viele Beispiele, so vielschichtig in seiner Bedeutung, dass ich es als erfrischend empfinde, mich von dieser künstlerischen Inszenierung in Gedankenwelten tragen zu lassen, die ich vorher bewusst oder unbewusst gemieden haben. Maßgeblich hat zu meiner Findung "Terror- Das Recht braucht eine Bühne" von Bernd Schmidt beigetragen, wo weitere Meinungen, Reden und Blickwinkel zum gleichen Thema zusammengetragen werden. Für mich persönlich funktioniert gerade die Kombination besonders gut, weil ich das Gefühl habe, alle Ansichten zu durchleuchten, reflektieren zu können. Der latente Wunsch nach einem gar zwingenden Austausch, den das Stück hervorruft, kann von meiner Seite nur so gestillt werden. "Terror" veranschaulicht die Gerichtsverhandlung über Major Lars Koch, der sich eigenmächtig entschied, eine voll besetzte Passagiermaschine mit 164 Menschen an Bord abzuschießen, die von Terroristen gekapert wurde mit dem Ziel, eben diese Maschine in die gefüllte Allianzarena mit 70.000 Menschen stürzen zu lassen. Der Leser ist Teil der Gerichtsbarkeit, entscheidet am Ende über Freispruch oder Verurteilung. Die Hintergrundinformationen und weiteren Betrachtungsweisen von Bernd Schmidt hingegen gibt vielen Meinungen Raum, die sich sowohl mit der Frage an sich des Freispruchs oder der Verurteilung beschäftigen, aber auch weit darüber hinaus greifen. Der Stil beider Werke ist fordernd. "Terror" liest sich leicht, wirkt dabei fast einfach klar, dabei sind die Worte präzise gewählt und ihre Bedeutung so viel größer, sodass auch die Sprache als Stilmittel gewählt den Zugang zu dieser so schwerwiegenden Thematik erleichtert. Die Hintergrundbeleuchtung ist schwerer, komplexer, dichter, erfordert mehr Aufmerksamkeit, die jedoch definiert geweckt ist aufgrund der Thematik. Ferdinand von Schirach ist inklusiv, bleibt aber objektiv, spielt mit der Emotionalisierung der Ereignisse, weil es jedoch auch authentisch ist. Der Leser verbleibt hin- und hergerissen und ich für meinen Teil war mir sicher, zum für mich richtigen Schluss gelangt zu sein. Gerade durch die für mich wichtige Weiterführung der unterschiedlichen Meinungen zu dem Stück musste ich jedoch auch begreifen, dass es uns wie so oft leicht fällt, die menschliche Moral, die Ausweglosigkeit der Situation über alles zu stellen. Aber dürfen wir das? Dürfen wir uns leichtfertig erheben über das, was unsere Gesellschaft definiert? Und wer definiert Ausnahmen, Notstand und somit erlaubten Rechtsbruch im Sinne des Gemeinwohls? Und senden wir somit nicht ein Zeichen, dass Terror von uns im Sinne des Grundgesetzes ein Stück weit zum Wohle aller toleriert werden muss? Für mich verbleibt das Stück ein überragendes Beispiel für notwendige Diskussionen über richtig und falsch, über Grundgesetz und Ausnahmen, somit die vielen Grauzonen, die wir in unserer entfernten Distanz zur Verantwortlichkeit fast arrogant treffen können, wie wir doch schnell über alles urteilen und die Weisheit mit dem Löffel gefressen haben. So verbleibt ein fiktives Beispiel mit einem so faden Beigeschmack, dass ich von meinem hohen Ross der Anmaßung abgestiegen bin. Ich fühlte mich in keine Ecke gedrängt und habe den inneren Disput vollkommen genossen. Eine klare Empfehlung für alle, die sich gerne mit den Grenzen der Gerichtsbarkeit auseinandersetzen wollen, empathisch alle Blickwinkel beleuchten und daraus bestärkt und neu aufgeladen in ihren Alltag zurückkehren wollen, mit einem gewissen Grad an Demut und Bescheidenheit.

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