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Rezension zu
Mein Jahr der Ruhe und Entspannung

Beängstigende Dimension der Depression

Von: Kate Rapp
14.01.2021

„Mein Aussehen machte mich zur Gefangenen einer Welt, in der Aussehen mehr zählte als alles andere.“ Mitte Zwanzig, mit einem Abschluss in Kunstgeschichte und haufenweise geerbten Geldes nach dem Tod beider Eltern, igelt sich die Erzählerin in ihrem schicken Appartement an der Upper East Side ein und will nur noch schlafen. Beziehungsunfähig, lebensunfähig und ohne Vision von der eigenen Zukunft katapultiert sie sich mit Hilfe von Beruhigungsmitteln und Schlaftabletten in einen „Winterschlaf“, einen ständigen tranceartigen Zustand der Chemiebetäubung oder des Fernsehschauen, um sich von dem gefährlich oberflächlichen Dasein zu erholen, was sie das Leben nennt. „Mein vergangenes Leben wäre nichts als ein Traum, und ich könnte noch einmal ganz von vorn anfangen, ohne Reue, gestärkt von dem Glück und der Gelassenheit, die ich in meinem Jahr der Ruhe und Entspannung gewonnen hätte.“ Eine Überforderungssymptomatik, eine Unsicherheit und Depression, mit der ihre Psychiaterin Dr. Tuttle nicht umgehen kann. Sie fertig sie mit skurrilen Allgemeinplätzen ab und verschreibt ihr immer stärkere Medikamente. Ganze Tage verbringt sie schlafwandlerisch, geht einkaufen, feiern und trifft sich mit Menschen, ohne sich daran zu erinnern. „Irgendwie schien ich im Schlaf wach zu sei. Es war ein wunderbares Gefühl. Fast wie Glück.“ Sie lebt im Schlaf und schläft im Leben und ihre gesprächsfreudige Freundin Reva ist die einzige, die sich zu sorgen scheint, aber die geht ihr gehörig auf die Nerven. Bei der Beerdigung von Revas Mutter, einer durchschnittlichen Frau aus einfachen Verhältnissen, beliebt und vermisst, wird ihr klar, wie gestört ihre eigene Mutterbeziehung war. Diese abgrundtiefe Verzweiflung macht Ottessa Moshfegh schmerzlich greifbar, die Eigenaufgabe, die Kapitulation. Ich hatte das Gefühl, einem Selbstmord auf Raten beizuwohnen, einer Imitation der Mutter, die an einer Überdosis Tabletten starb. Erst ein letzter Gewaltakt, in dem sie mit Hilfe eines verachteten Künstlers eine Katharsis durchlebt, versetzt sie in die Lage, sich dem Leben wieder zu stellen. Ein bemerkenswertes aber auch verstörendes Buch, das dem Begriff „Depression“ eine völlig neue Dimension verleiht.

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