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Rezension zu
Das eiserne Herz des Charlie Berg

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Das Eiserne Herz des Charlie Berg

Von: thursdaynext
02.10.2020

Unbedingt auf die Ohren gehört das von Shenja Lacher genial gelesene, gekürzte (nu ja, immerhin 19 Stunden 18 Minuten lange) Debüt von Sebastian Stuertz mit dem seltsamen Titel „Das eiserne Herz des Charlie Berg“. Klasse Titel, generierte, bei mir zumindest, Aufmerksamkeit. Und diese so harmlos (siehe Cover) daherkommende Mp 3 hat es in sich. Dergestalt, dass ich genussvoll und vor allem laaaange daran zehrte. Sprachlich ein Hochgenuss, frau glaubt kaum, dass hier ein Erstlingswerk vorliegt und besonders auch das Preis/Leistungsverhältnis passt. Ist ja nicht gänzlich unwichtig in einer Zeit, in der überall die Schnäppchenjäger unterwegs sind. Mit diesen kann ich mich zwar wenig identifizieren, bin aber durchaus erfreut, wenn ein Roman, der mir so ausnehmend gut gefällt wie Charlie Bergs Eisernes Herz, lange vorhält. Dabei ist der Plot denkbar schlicht. Eigentlich erzählt hier nur ein junger Mensch kurz vorm Zivildienst, der ihn aus seinem Elternhaus und den damit verbundenen Pflichten befreien soll, seine Lebensgeschichte. Sebastian Stuertz umgibt seinen Protagonisten Charlie mit all seinen Freunden, Feinden, Verwandten und lässt ihn seine Erfahrungen, Erlebnisse und besondere Sicht, es ist eine ausgerochen (kein Tippsler, nur ein dämliches, aber unverzichtbares Wortspiel) olfaktorische, auf die Dinge schildern. Das ist charmant, erschreckend, beklemmend, überraschend und amüsant. Die Klaviatur der Emotionen wird hier im Beethoven Style durchgenommen. Drama, Baby und Witz, selbst wenn es ums jugendliche Onanieren, Mord, und Vögelphantasien geht. Konstruiert ist dieser Lebensbericht ebenfalls wunderbar. Mal ist Charlie in der Gegenwart, flutscht geschwind in die Vergangenheit oder malt sich seine Zukunft aus. Dabei ergänzen sich diese zeitlich verschiedenen Einschübe zu einem satten Ganzen und halten den Drive am Laufen. Bei allem Witz und herausgekitzelten unaufhaltsamen Lachern, geht dieser Roman sowohl ans titelgebende Herz, wie an die Nieren und in die Tiefe. Man lernt Charlies Bohemien-Familie kennen, die abwesende Künstler-Mutter, den verpeilten Musiker-Vater, die alles zusammenhaltende Oma, den Jäger Opa. Natürlich auch seinen sexbesessenen Kumpel „Dave Killer“. Ein Kommisarpaar, Kafka, nicht der echte, mischt mit und Charlies sexuelles Erwachen wird anhand seiner ersten, kleineren und großen Lieben berichtet. Charlie, könnte auch ein Bluthund sein. So wie er sich die Welt erschnüffelt. Ein großes Herz samt ausgezeichneter Nase hat er, auch wenn es nicht ganz heile ist. Es ist eine ausufernde, barocke Geschichte aus den 80ern, die der Autor hier der Welt geschenkt hat und ich bin froh, dass sie mir zu Ohren kam. Manche Geschichten bleiben haften, und diese hier geht nie wieder ab. Auch wenn ich immer noch nicht sicher bin, ob ich Zimt und Kiefernnadeln ins Rehgulasch kippen soll. Erinnert hat sie mich daran, wie schwierig es ist erwachsen zu werden, ob in den 80ern oder heute. Wer „Billy“, „Gretchen“ oder „Harold“ von Einzlkind gelesen und geliebt hat, kann mit Charlie Berg nichts falsch machen. Einfach überrollen lassen, umgarnt wird Mensch dann schon von selbst. Ein Hörhighlight 2020 und verdiente 28 Dodos aus Thursdaynexts Dodo- Award.

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