Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Der Fremde aus Paris

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Fremdsein, das Leben und Politik - Erwartungen nicht erfüllt, Geschmack getroffen

Von: Sonja Haanraads
20.08.2020

Fremdsein und Liebe - das waren nach Lesen des "Klappentextes" meine Erwartungen an die Themen dieses Romans. Ja, der Hauptprotagonist war verliebt. Dennoch würde ich den Roman keinesfalls als Liebesroman bezeichnen, ist doch diese Liebe schlicht Ausdruck seiner Weltkonstruktion, seiner Betrachtungsweise der Welt. Parallel begegnen uns im Buch aber auch die Weltsichten einer ganzen Reihe anderer Personen, jede Mittelpunkt ihrer eigenen Welt, in der sich das Leben jeweils um ganz andere Themen dreht … Isabella Hammad lässt uns am Leben des Palästinensers Midhat teilnehmen, angefangen auf dem Dampfer nach Frankreich, die Zeit in Montpellier, in Paris und schließlich zurück in Nablus. Aber nicht nur ihn, seine Sicht lernen wir kennen – immer wieder schlüpft sie in die Perspektive der wichtigen Personen in Midhats Leben: Wir können sowohl Jeannettes westeuropäischen Gedanken folgen, den traditionellen Überlegungen seines Vaters … Dieser Roman bietet durch die wechselnden Perspektiven ein „rundes“ Bild, aus dem heraus Midhats Fremde verstehbar wird. Eine Fremde, die in der Zeit in Paris direkt spürbar ist, wenn der Textfluss durch französische Teilsätze unterbrochen wird: „Und am Montag, je crois qu’il y a une affaire d’inscription, und dann, Sie wissen schon, tout va de l’avant.“ Mein Schulfranzösisch und der Zusammenhang lassen mich die Bedeutung verstehen, gleichzeitig ist es lang genug her, um das Stocken, das langsame Begreifen des neu angekommenen Midhat nachzuvollziehen. Eine Fremde, die er aber nie ablegt, die auch in Paris und daheim in Nablus bleiben. Dichte und schnelle politische Gespräche der engagierten Freunde lassen mich auch hier selbst direkt die Unsicherheit Midhats spüren, hier mitzureden – selbst dann, wenn er spricht, wenn er mit Meinungen spielt. Nun habe ich bereits aus anderen Romanen Vorkenntnisse der palästinensischen Geschichte im 20. Jahrhundert, jedoch bislang ohne ausgiebige Beschäftigung. Manchmal gingen die häufigen Diskussionen, die Begründungen auch mir zu schnell, manchmal kam ich nicht mehr mit und musste einen Absatz erneut lesen, den Anhang vor Augen. Aus diesem Grund: Keine uneingeschränkte Leseempfehlung für den Fremden aus Paris. Ich fand den Roman großartig, die Personen lebendig, die Geschichte interessant; ich habe schneller gelesen als ich wollte und bin ein wenig traurig, meine neuen Freunde bereits wieder ruhen zu lassen. Aber ich bin unsicher, wem von meinen Freunden ich den Roman nun weiterreiche. Oder nein: Ich weiß schon, wem. Ich weiß aber auch, wem nicht. Dieser Roman möchte Leser, die bereit sind, sich auf Unbekanntes einzulassen, sich selbst fremd oder klein zu fühlen. Die interessiert sind an Politik und Geschichte. Die bereit sind, sich in andere Denkweisen hineinzufühlen. Diesen Lesern wird er dafür viel geben – auch als Roman, der ganz viel Liebe transportiert ohne ein Liebesroman zu sein. Danke für das Leseerlebnis!

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.