Rezension zu
Die Geschichtensammlerin

Geschichten, Sagen und Märchen bestimmen das Leben des zehnjährigen Mädchens Ileana. Wahrheit und Fiktion vermischen sich. Was ist wahr? Was darf man denken oder schlimmer noch, aussprechen? Geschichten bieten Ileana einen Zufluchtsort und sie selbst schreibt genau so viel und gern wie ihr verschwundener Onkel Andrei. über alles was ihr auffällt, ihr gefällt oder aber mißfällt. Geschichten und/oder Geschichte ist wandelbar und werden/wird von jedem anders wahrgenommen und erlebt. So mag manches dem einen harmlos erscheinen, für den anderen ist es bereits Hochverrat. Im kommunistischen Rumänien im Jahr 1989 lebt man gefährlich. Die allumfassende Spitzelei und das brutale Vorgehen der Securitate, lassen keinen Spielraum für Andersdenkende. Dieses Buch schildert nicht nur anschaulich und lebendig die Lage in Rumänien Ende der 80er Jahre sondern auch die widersprüchlichen Gefühle wie Angst, Hoffnungslosigkeit, Mut und Zuversicht, Freundschaft und Verrat. Die Erzählperspektive des Kindes ist durchgängig schlüssig und auch gut nachvollziehbar. Das Buch ist lesenswert, nicht im Sinne von Unterhaltung, sondern als Denkanstoß. Wer in einem demokratischen Staat aufgewachsen ist, kann sich die Einschränkungen und Gefahren in einem totalitären Regime kaum vorstellen. Vieles was wir als selbstverständlich hinnehmen oder überhaupt nicht wahrnehmen ist in anderen Staaten unvorstellbar. Das ist/war traurigerweise ja nicht nur in Rumänien so. Vergleichbare Verhältnisse finden sich auch im Jahr 2020 auf der ganzen Welt.