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Rezension zu
Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird

Intensiv wie ein Stück Leben: Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird

Von: Mitternachtsblau
14.03.2019

Erzählungen. Mal gehören sie zusammen, mal weichen sie auseinander, mal glaubst du, es sind dieselben Menschen oder zumindest, vielleicht, könnten sie es sein. Iunona Guruli erzählt vom Schicksal, kondensiert auf einzelne Szenen und Charaktere, so lebendig wie du und ich. Hässliche Szenen, Szenen aus dem Leben und aus dem Sterben, mit einem roten Faden, der einen unsichtbar zieht, bis zum Ende, bis in den Keller, wo die Leichen liegen und das Gewissen, die gesamte Realität. Mein Eindruck: „Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird“ ist weder Erzählband noch Roman, sondern irgendwas dazwischen. Sechzehn Szenen, in die man einsteigt und aussteigt wie in einen Zug und dazwischen die Kleinanzeigen, in denen man wie beim Warten in der Zeitung liest. Mal fahren dieselben Leute mit, mal ist man sich nicht sicher ob man die Gesichter kennt, vielleicht sogar die Geschichte, mal trifft man völlig Unbekannte, die einem einen Einblick gewähren, nur ganz kurz, in ihr Leben und ihr Leiden und die Realität, die so fassbar ist, dass sie für den Leser Wirklichkeit wird. Mit klarer, poetischer Sprache zeichnet Guruli Portraits von schrecklichen und schönen Dingen. Von kleinen und großen Tragödien, von Verantwortung, von Sexualität, von Liebe und Freundschaft, von Drogen und vom Gefühl lebendig zu sein, von der Qual innerlich zu verwesen. Krieg, Enttäuschung, Hoffnung – in diesem Buch ist alles vereint. Stärken des Buchs: Angefangen von der Faszination für Titel und Cover hat die Autorin mich bereits mit den ersten Kleinanzeigen abgeholt: „Biete. 28 Jahre alte, aber gut erhaltene grüne Augen, verschimmelte Träume und gebrochenes Herz mit interessantem Inhalt. Preis: Verhandlungsbasis“ und ähnliche kleine Wahrheiten nehmen einen mit in Gurulis Welt. Dann lässt sie den Leser fallen, mitten hinein in eine heile, verdorbene Welt in der es Gutes gibt und noch viel mehr Schlechtes. Präzise und gnadenlos seziert sie Gefühle nieder, spricht aus, was niemand hören will und konfrontiert uns mit Dingen, von denen wir gehofft haben, dass sie in dieser Welt nirgendwo geschehen. In ständigem Perspektivenwechsel, mit wechselndem Erzähltempo und dem wechselnden Stil meist namenlosen Erzählern wirft sie einen von Szene zu Szene, so intensiv, dass man sich nicht mehr sicher ist, ob man den Charakteren nicht tatsächlich begegnet ist, ob es nicht wahre Geschichten sind und ob es einem nicht gar selbst passiert ist. Was bleibt ist der schale Geschmack des Ekels im Mund, das Lächeln, die Erinnerung an ein kurzes Lachen oder das schwere Herz, das einen zum Seufzen bringt. Schwächen des Buchs: Die größte Schwäche des Buches ist, dass man es aufmerksam lesen muss und sich wirklich hineinfallen lassen muss. Ich bin mir sicher, „Wenn es nur Licht gäbe bevor es dunkel wird“, ist kein Buch für jedermann. Es setzt eine gewisse Leidensfähigkeit voraus und eine Unvoreingenommenheit, zu der nicht jeder Leser bereit ist. Es zieht einen tief in die Abgründe der Menschlichkeit und lässt einen mit tausend Fragen über zu Ort, Zeit, Personen und manchmal auch Geschehen. Wer gerne abgeschlossene Erzählungen lesen möchte, ist hier bestimmt nicht richtig. Kaum eine Geschichte ist abgeschlossen, weder emotional noch inhaltlich und meistens fehlen einem so viele Puzzleteile, das es wirklich nur ein Blick ist auf eine Szene, die so passiert sein könnte - oder auch nicht. Mein Fazit: Trotzdem kann ich dieses Buch nur empfehlen. An alle, die sich auf Sprache einlassen wollen, auf Gefühle und Ungewissheit. Die zulassen wollen, dass ein Buch etwas mit einem macht und auch Bücher lesen wollen, die nicht einfach nur fröhlich stimmen, sondern einen kalt erwischen, wie ein Autounfall, der auf einmal passiert.

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