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Rezension zu
Der gefrorene Himmel

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein Meisterwerk

Von: RuLeka
14.04.2021

Richard Wagamese zählt zu den bedeutendsten indigenen Stimmen Kanadas. Er hat bis zu seinem Tod im Jahr 2017 insgesamt sieben Bücher veröffentlicht. „ Der gefrorene Himmel“ ist 2012 im Original erschienen und nach „ Das weite Herz des Landes“ der zweite auf Deutsch erschienene Roman. Hierin hat der Autor sehr viel aus seiner eigenen Biographie einfließen lassen. Hauptfigur und Ich- Erzähler Saul Indian Horse lebt zu Beginn des Romans in einem Zentrum für Suchtkranke und soll als Therapie Richard Wagamese zählt zu den bedeutendsten indigenen Stimmen Kanadas. Er hat bis zu seinem Tod im Jahr 2017 insgesamt sieben Bücher veröffentlicht. „ Der gefrorene Himmel“ ist 2012 im Original erschienen und nach „ Das weite Herz des Landes“ der zweite auf Deutsch erschienene Roman. Hierin hat der Autor sehr viel aus seiner eigenen Biographie einfließen lassen. Hauptfigur und Ich- Erzähler Saul Indian Horse lebt zu Beginn des Romans in einem Zentrum für Suchtkranke und soll als Therapie sein Leben aufschreiben. „ Sie sagten, ich könne nicht verstehen, wo ich hingehe, wenn ich nicht verstehe, wo ich gewesen bin. Ihrer Meinung nach liegen die Antworten in mir selbst.“ Saul entstammt dem Volk der Ojibwe. Seine Familie hat sich in die Wälder zurückgezogen, dahin, wo schon ihre Vorfahren lebten. Die Großmutter unterweist den Jungen in den alten Ritualen und Lehren seiner Kultur. Doch als diese stirbt - die Eltern hat er schon früh an den Alkohol verloren- wird Saul aufgegriffen und wie viele indigene Kinder in eine sog. „ Residential School“ gebracht. Diese, meist von Nonnen und Patres geführten Schulen, dienten dazu, den Mädchen und Jungen ihre Sprache, ihre Religion und ihre Kultur auszutreiben und sie zum Christentum zu bekehren. Mit den christlichen Werten von Nächstenliebe und Barmherzigkeit hatten diese Heime allerdings wenig zu tun. Die Kinder litten Hunger, wurden regelmäßig gezüchtigt, gedemütigt, bedroht und oftmals noch sexuell missbraucht. Viele überlebten diese Torturen nicht; manche entzogen sich dem Ganzen durch Suizid. Richtiger Schulunterricht fand kaum statt, stattdessen mussten die Kinder hart arbeiten. „ Es gab keine Noten oder Prüfungen. Das Einzige, was geprüft wurde, war unsere Leidensfähigkeit.“ Das bisschen Schulbildung qualifizierte die Kinder später nur zu Hilfsarbeiterjobs. Wenn die Jugendlichen die Heime verließen, waren sie meist traumatisierte und gebrochene Menschen. Auch Saul kommt in eine solche Schule. „ St. Jerome‘s nahm alles Licht aus meinem Leben.“ Der sensible Junge zieht sich immer mehr in sich selbst zurück. Bis eines Tages ein junger Pater in dem Heim eine Eishockeymannschaft aufbaut. Das Spiel beginnt Saul zu faszinieren und bald wird sein außergewöhnliches Talent entdeckt. Er findet Anschluss in der Mannschaft und Anerkennung von anderen. Saul ist so begabt, dass er schnell aufsteigt in ranghöhere Teams. Und er schafft den Absprung aus dem Heim und kommt in eine verständnisvolle Pflegefamilie. Doch Hockey, der Nationalsport der Kanadier, gilt als ein Sport der Weißen. Solange die „Indianer“ gegeneinander spielen, gibt es keine Probleme. Doch sobald sie gegen weiße Teams antreten, werden sie auf dem Spielfeld nicht nur verbal angegriffen. Wut und Aggression schlagen ihnen entgegen. Saul verliert die Freude am Spiel. „ Aber sie ließen mich nicht bloß Hockeyspieler sein. Ich musste immer Indianer bleiben.“ Er beginnt sich zu verändern, wird brutaler und härter ( „Wenn sie wollten, dass ich ein Wilder war, dann würde ich ihnen den Wilden geben.“ ) und schließlich wird der Alkohol sein Begleiter. Saul muss sich, um am Ende geheilt zu werden, seinen verdrängten Verletzungen stellen und sich auf die Kraft seiner Kultur besinnen. Richard Wagamese hat mit „ Der gefrorene Himmel“ ein unvergessliches literarisches Werk geschaffen. Manches, was er hier schildert, lässt sich zwar nur schwer ertragen. Doch über all die Grausamkeiten hinweg trägt die Sprache: bilderreich und poetisch. Hier ist die große Erzähltradition seines Volkes spürbar. Sensibel beschreibt er die Gefühlslage seines Protagonisten, die Schönheit der kanadischen Landschaft und der Natur lässt er in unzähligen Bildern vor den Augen des Lesers erscheinen. Gleichzeitig vermittelt er einen tiefen Einblick in die Kultur und in die Lebenswelt der Stammesgesellschaft. „ Der gefrorene Himmel“ ist ein eindringlicher Roman über ein dunkles Kapitel in Kanadas Geschichte . Wer sich für die Historie dieses Landes und v.a. die der indigenen Bevölkerung interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Aber auch wer einfach große Literatur lesen möchte, findet daran seinen Gefallen. Es ist zu wünschen, dass der Verlag die anderen Romane dieses Autors ins Deutsche übersetzen lässt. Hervorzuheben ist auch noch das äußerst lesenswerte Nachwort von Katja Sarkowsky, einer Professorin für Amerikanistik, mit dem Schwerpunkt Indigene Literatur, das den Autor, das Buch und seine historische Einbettung genauer beleuchtet.

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