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Rezensionen zu
Tage in Tokio

Christoph Peters

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In „Tage in Tokio“ hinterfragt Christoph Peters das westliche Japanideal „Während Kumekawa-san den Taxifahrer bezahlt, stehe ich etwas verloren auf der Straße, neben mir die beiden Koffern, und schaue mich um. Ein Konglomerat aus über Jahrzehnten angesammelten Bildern japanischer Lebenswelten schimmert wie durch eine Milchglasscheibe aus dem Hinterkopf ins Bewusstsein. Mir dämmert allmählich, dass ich das, was ich sehe, höre, rieche, permanent mit eingelagerten Vorstellungen abgleiche und dementsprechend in „typisch“, „ungewöhnlich“ oder „erstaunlich“ einteile. Zugleich führt mir das klare Licht des späten Vormittags schlagartig vor Augen, dass jetzt nichts davon mehr gilt und dass ich von dem, was ich bräuchte, um mich sicher und elegant durch die Stadt zu bewegen, nicht die geringste Ahnung habe.“ Von einer interkulturellen Begegnung zwischen Japan und Deutschland erzählt Christoph Peters bereits in seinem 2014 erschienen Roman. Dessen Titel, „Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln“, deutet an, daß manches entgegen den Erwartungen verläuft bei der Zusammenarbeit des an Jan Kollwitz angelehnten Keramikkünstlers mit einem japanischen Ofenbauer in der niederdeutschen Provinz. Japanische Keramik, das traditionelle Teezeremoniell und Jan Kollwitz finden auch in Peters neuem Buch „Tage in Tokio“ Eingang. Die Erlebnisse, Erfahrungen und Gedanken des Autors als Reisebericht zu bezeichnen, wäre zu kurz gegriffen. Für Peters, den die Leidenschaft für japanische Teeschalen der Momoyama-Zeit (1573-1603) seit über dreißig Jahren nicht loslässt, ist es der erste Besuch in dem Land, über das er so viel gelesen und gehört hat. Seine Begegnungen in Kunst, Kultur und Alltag überraschen den Reisenden und verleiten ihn zu philosophischen Überlegungen. Dazwischen findet er immer wieder den Weg zur Keramik, seinem Spezialsujet, dem wir nicht nur in Gestalt der Unohanagaki begegnen, einer zum Kunst-Nationalschatz Japans erhobenen Teeschale, die Peters in Tokio bewundert. Doch zunächst muss er erst einmal ankommen. Schon die ersten Blicke auf das Land seiner Träume, wie man es wohl nennen darf, konfrontieren den durch Lektüre und Gespräche gelehrten Betrachter mit der Diskrepanz zwischen der Realität und seinen vorgeformten Wunschbildern. Wie schwer es sein kann, diese erfüllt zu finden, das wusste schon Proust. Den gutgemeinten Warnungen die befreundete Japankenner ihm mit auf den Weg gaben, bedarf Peters nicht, denn er ist sich der Stereotype und Idealisierungen bewusst. Die Verklärung des Fremden, der Exotismus oder hier Japonismus diene der Vereinfachung und führe zu „kategorisierender Mythenbildung“. Im Sinne des Zen wäre es, unvoreingenommen dem Neuen gegenüber zu treten. Ein schwer zu erreichendes Ziel, wie Peters betont, ist doch unsere Wahrnehmung immer von Erfahrung geprägt und unterliegt subjektiver Interpretation. So relativiert sich auch für ihn „das unvoreingenommene Bewusstsein“. Den ersten Blick auf den Fuji begrüßt er als Beweis, sich tatsächlich in Japan zu befinden, ebenso, wie sein Begleiter, Professor Kumokawa, den Regenbogen als gutes Omen für die Reise. „Japaner (sind) sehr abergläubisch“. An Ironie fehlt es Peters nicht, auch gegenüber sich selbst. Sein Wunsch an Kumokawa, ihn in einem traditionellen Gästehaus unterzubringen, entlarvt er als Traum vom japonistischen Idyll. Dort scheint alles so zu sein, wie der japanverliebte Tourist es sich vorstellt. Was ein Glück, daß die Gastgeberin als ehemalige Flugbegleiterin das traditionelle Frauenbild bricht und sehr gut Englisch spricht. Seine ersten Erkundungen unternimmt der Autor kurz nach Ankunft alleine. Für eine Zigarette muss er einige Straßen durchstreifen, bis er die offiziellen Raucherstelle erreicht. Anschließend macht er sich auf den Weg zum Fluss Sumida, den er von alten Holzschnitten kennt. Die Beobachtungen der fremden Umgebung, die ihm auf den ersten Blick gar nicht so fremd erscheint, löst eine Selbstbefragung aus. Auf diese Pfade des eigenen Denkens und Handelns nimmt Peters seine Leser mit. Sind die vermeintlich fehlenden Unterschiede ein Resultat seines ungeübten, westlichen Blicks? Erscheinen die Japaner in ihrer zurückhaltenden Blickvermeidung nur dem Ahnungslosen höflich? Die Sensibilität für Nuancen entsteht mit der Zeit und diese hatte er noch nicht. Noch überwältigen den Neuankömmling die Eindrücke, denen er durch die heutige Art des Reisens, viel zu schnell ausgesetzt ist. Ihm fehlt die „Erfahrung des vorbeiziehenden Raums“. Ideal wäre es, langsam im fremden Land anzukommen, alles gelassen wahrzunehmen und „seine Schritte in keine Richtung zu lenken“. Peters lenkt seine Schritte hingegen in eine ganz bestimmte Richtung. Im Suntory Museum of Art werden die berühmtesten Chawan aus Mino ausgestellt, informiert ihn ein Freund aus der Ferne. Diese Gelegenheit die Unoganahaki zu betrachten, will er sich nicht entgehen lassen. Neben dieser sind weitere Chawan im Shino-, Seto- und Oribe-Stil zu sehen. Peters begeisterte Beschreibung gerät zu einer kleinen Keramik-Kunde, man muss nur noch die Abbildungen der Stücke suchen. Seine Faszination an diesen Chawan führt er auf den modern anmutenden Gestaltungswillen der Künstler aus dem 16. und 17. Jahrhundert zurück. Nach deren Vorstellung „sollten die elementare Kraft der Erde und die Urgewalt des Feuers in die Gefäße eingebrannt sein“. Eine Haltung, die Peters, der an der Karlsruher Hochschule Kunst studierte, so modern anmutet wie die eines Picassos. Nicht nur die Ausstellung gibt ihm Anlass, über japanische Keramik zu schreiben, und dem Leser die Chance, etwas darüber zu lernen. Kenntnisreich schildert er, wie chinesisches Ming-Porzellan Delfter Steingut prägte, das wiederrum in Japan zu niederländischen Landschaftsmotiven führte. Alles gründet auf allem und vieles ist miteinander verwoben, ohne daß man es ahnt, so Peters. In diesem Sinne taucht er, weiter ein in die fremde Stadt Tokio, kostet Sushi mit Vollkornkern, begegnet Japanerinnen mit und ohne Brille und fährt Metro, geordnet und ohne Drängelei, ganz anders als er es sich vorgestellt hatte. Schließlich kommt er in einem Universitäts-Seminar mit jungen Japanern ins Gespräch, für die der von ihm so verehrte Teeweg, wenn keine unbekannte, so doch eine sehr entlegene Tradition ist. Christoph Peters „Tage in Tokio“ gewährt nicht nur Blicke auf Tokio und Teeschalen, sondern vor allem eine Ahnung von eigenen durch exotistische Zuschreibungen gefärbten Unwissen. „Die weitaus meisten Dinge, die auf dieser Welt vor sich gehen, verstehen wir nicht, geschweige denn, dass wir begreifen, wie vielfältig sie miteinander verwoben sind.“ Einfühlsame Ergänzung zu Peters Text bieten die zarten Zeichnungen von Matthias Beckmann.

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Sich in der Literatur zu bewegen, von Buch zu Buch, von Autor zu Autor Spuren zu verfolgen und so ein Bücher und Leben umspannendes Netz zu spinnen, ist verlockend: das eigene Leben gewinnt so an Kontur und Tiefe. Auch der Dialog zwischen Büchern verschiedener Autoren eröffnet spannende Einsichten. So teile ich mit Frank Berzbach (Die Kunst zu lesen) die Liebe zum Tee und das Interesse am Zen-Buddhismus, was mich wiederum schon vor langer Zeit zu den Büchern von Christoph Peters (Herr Yamashiro bevorzugt Kartoffeln) geführt hat – dessen Buch über den Tee (Diese wunderbare Bitterkeit) auch in Berzbachs jüngst erschienenem Literaturverführer auftaucht. Berzbach, der sich wie Peters seit Jahren mit japanischer Kultur beschäftigt, kam bei der Lektüre klassischer japanischer Texte über die Liebe zu dem Schluss: "Ich bin kein Japaner! Meine Vorliebe für die japanische Ästhetik, die Welt des Tees und der Zen-Buddhismus haben zeitweise zu einer gewissen Idealisierung geführt." Soll man die eigene Vorstellung von der fremden Kultur also besser von der Realität verunreinigen lassen? Christoph Peters schreibt seit 35 Jahren über Japan: die Tee-Zeremonie, die Keramik-Kunst, die Yakuza sind immer wiederkehrende Motive in seinen Büchern – doch er selbst kennt Japan (Überraschung!) nur aus Filmen, Büchern und Google Streetview. Er war nie dort – bis vor kurzem. Über seinen ersten Aufenthalt in Tokio, als Writer in Residence an der Keiō-Universität, hat er nun einen schmalen Band mit Beobachtungen und Reflexionen veröffentlicht, minimalistisch illustriert von Matthias Beckmann. Er trifft (zweite Überraschung!) auf eine gar nicht so fremde Kultur ... Wahrnehmung und Projektion Christoph Peters: Tage in Tokio. Luchterhand 2021 Ein Deutscher in Japan – das kennt man ja aus den Filmen von Doris Dörrie – ist mit Sicherheit ein Garant für slapstickhafte Komik und ein paar treffsichere Pointen! Soweit die eigene Erwartungshaltung – und auch die wird (Gott sei dank) enttäuscht: Der Humor bei Peters ist eher sehr leise und subtil; seine Beobachtungen sind Anlass zur tiefgründigen Reflexion über die Begeisterung für fremde Kulturen, die Projektionsfläche des Exotismus und die Fremdheit des Eigenen. Denn tatsächlich findet Peters die essentiellen Bestandteile seines an Zen-Praxis und Teeschalen entwickelten Japan-Bildes in der Realität zunächst nicht wieder: in Tokio steckt ebenso viel Berlin wie Bielefeld. Zen und Rauch Dennoch: das "Japanbild" aus Zen und Tee hält sich beständig. Bevor der Autor aber am Ende des Buches einen Zen-Tempel aufsucht (der natürlich in nichts seiner Vorstellung entspricht), besucht er das älteste Kaufhaus der Welt – und den Raucherbereich an der Seitenstraße. Nicht ohne schlechtes Gewissen. Rauchen ist in Tokio nicht nur in Hotels und öffentlichen Gebäuden undenkbar, auch auf der Straße sei es wegen der Olympischen Spiele verboten, wird er von seiner Gastgeberin aufgeklärt. Es bleiben spezielle Raucherplätze. Der erste Gang in Tokio führt Christoph Peters "also weder in einen wichtigen Zen-Tempel, noch in ein bedeutendes Museum, nicht einmal in eine Sushi-Bar oder ein Teegeschäft, sondern zu einem schäbigen Rauchplatz in der Seitenstraße, der mir unmissverständlich vor Augen führt, dass ich keineswegs ein weltreisender Genussmensch bin, sondern schwach, um nicht zu sagen suchtkrank." Das entbehrt natürlich nicht der Komik – allzumal Peters Trost findet: Auch mancher Zen-Meister war bekannt für seinen Tabak-Konsum. Nichts ist so einfach, wie es scheint. Alltag und Keramik Peters versteht es meisterhaft, in größter Pedanterie der Unsicherheit und Befangenheit nachzuspüren, die diese Erstbegegnung mit der fremden Kultur kennzeichnen. Lost in translation bewegt er sich immer wieder verwundert durch die Straßen der Metropole – und entwickelt so ein Auge für die leisen Zwischentöne des Alltäglichen. Und dann ist da Besuch im Suntory-Museum, versteckt in einer Einkaufspassage: Wer einmal in aller Kürze Grundlegendes über das japanische Keramik-Handwerk erfahren möchte, lese die Seiten über das Museum. Denn was auf einen kleinen historischen und philosophischen Exkurs über die japanische Keramik folgt, hat Züge einer Epiphanie: Vor einer Schale aus dem Jahr 1590, die Peters schon von diversen Abbildungen kennt, erfährt er den Unterschied zwischen Bild und Wirklichkeit. "Weshalb nun gerade diese Shino-Chawan alle anderen überragen sollte, hat sich mir nie erschlossen. Jetzt ist alles anders." Seitenlang beschreibt Peters auf beeindruckende Weise, welche Schönheit, welche Einzigartigkeit ihm in dieser Schale begegnet. Es sei, so schreibt er, "ein einmaliger Augenblick, darin vollkommenes Glück und der äußerste Schmerz". Die Schale hat einen Wert von mehreren 100.000 Dollar. Man sollte wohl mal nach Tokio fahren und sich das (und einiges andere) selbst anschauen.

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Christoph Peters hegte und pflegte seine Begeisterung für Japan bereits seit 35 Jahren bevor er das Land erstmals besuchte. Trotzdem schildert der Autor bewundernswert unbefangen in "Tage in Tokio" seine Eindrücke. In ähnlicher Form dürfte so etwas jeder Leser schon einmal erlebt haben, der über Deutschlands Nachbarländer hinaus gereist ist. Sehr speziell wird es allerdings bezüglich zweier Leidenschaften: Chawans und Boxen. Chawans sind die die typisch krumm-buckeligen Teetassen. Mit diesen werden in Japan alte Traditionen gepflegt und entsprechend wertvolle Chawan-Exemplare gibt es. In Zusammenhang mit dem Besuch einer Ausstellung kann Peters sein Wissen und seine Begeisterung transportieren. In Zukunft werde ich Chawans mit mehr Respekt und Interesse begegnen. Der Besuch eines Boxkampfs war für den Autor ein weiterer Höhepunkt der Reise und dieser bildet den Schlusspunkt des Buches. Ein mäßig spannendes Leseerlebnis fand damit einen für mich wirklich drögen Abschluss. Wer ohne weitere Vorkenntnisse auf eine Japan-Reise eingestimmt werden möchte, kann mit "Tage in Tokio" durchaus einen einfachen Einstieg finden.

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Der Autor Peters weiß im Prinzip alles über Japan. Er beschäftigt sich seit über 35 Jahren mit diesem Land, war aber selbst noch nie da. Jetzt hat er endlich die Gelegenheit nach Japan zu reisen. Seine Beobachtungen werden akribisch von ihm aufgeschrieben. Wer Japan liebt, wird dieses Buch lieben. Und wer dieses Buch liest, wird nach Japan reisen wollen.

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