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Rezension zu
Unorthodox

Unorthodox

Von: ahukader
19.07.2018

Deborah lebt mit ihren Großeltern in Williamsburg, einem Stadtteil von Brooklyn, in der nur unorthodoxe chassidische Juden, die der Satmarer Glaubensgemeinschaft angehören, leben. Ihre Mutter hat von Anfang an alle Regeln gebrochen und die Gemeinde verlassen. Ihr Vater scheint geistig nicht imstande zu sein, eine Tochter groß zu ziehen. Von Anfang an erzählt Deborah von Regeln und Anweisungen in der Gemeinde, an die sich Frauen strikt halten müssen. Sie bekommt zwar eine schulische (Religionsschule für Mädchen) Bildung, doch nur das Notwendigste. Denn Frauen sind dafür da, dass sie sich auf ihre Heirat, die arrangiert wird, konzentrieren und ihrem Mann dienen. Ihre Schönheit dürfen sie nicht präsentieren. Doch das Schlimmste für Deborah ist, dass Bücher verboten sind. Bücher würden ihre Fantasie verstärken, sie könnte wissen, dass es auch ein anderes lebenswertes Leben da draußen gibt. Doch sie traut sich in eine Bibliothek und lässt sich einen Ausweis ausstellen. Sie leiht die Bücher aus und liest sie heimlich. Versteckt sie nachts beim Schlafen unter der Matratze ihres Bettes. Die Satmarer Chassiden sehen den Holocaust als Strafe Gottes dafür an, dass sie nicht fromm genug waren. Somit leben sie nach strengen Regeln, um einem zweiten Holocaust zu entgehen. Diese Stelle im Buch hat mich sehr entsetzt. Wie kann man an so etwas glauben?! „Wir lernen in der Schule, Gott habe Hitler gesandt, um die Juden dafür zu bestrafen, sich selbst erleuchtet zu haben. Er kam, um uns zu reinigen, um alle assimilierten Juden zu vernichten, alle frejen Jidden, die dachten, sie könnten sich selbst vom Joch, die Auserwählten zu sein, befreien“ Deborah fängt schon in jungen Jahren an, die Regeln ihrer Gemeinde zu hinterfragen. So geht sie heimlich mit ihrer Freundin ins Kino und sie hören gemeinsam Musik. Nach ihrem Abschluss in der religiösen Mädchenschule arbeitet sie dort als Lehrerin, obwohl sie keine wirkliche Ausbildung dafür hat. Mit 17 Jahren geht sie eine arrangierte Ehe mit dem 6 Jahre älteren chassidischen Juden Eli ein. Ich glaube, sie erhofft sich durch die Ehe ein wenig mehr Freiheit, doch dem ist nicht so. Da Deborah sexuell nicht aufgeklärt ist, weiß sie nicht, was auf sie in der Hochzeitsnacht zukommt. Der Geschlechtsverkehr kann nicht vollzogen werden, da Deborah eine ausgeprägte Form des Vaginismus hat. Sie holt sich professionelle Hilfe. Sie wird erst nach einem Jahr schwanger. Auch das schanger werden ist nicht so einfach, denn sie muss sich an Rituale halten. Eine unorthodoxe Frau ist unrein während ihrer Menstruation und muss, um Sex haben zu können, mittels 14 weißen Tüchern 7 Tage nach der Menstruation nachweisen, dass sie morgens und abends an diesen 7 Tagen tatsächlich nicht geblutet hat. Zum Zeichen ihrer Reinheit muss sie in einem Mikwe (jüdisches Ritualbad) baden. Erst dann kann sie den Akt des Geschlechtsverkehrs vollziehen. An diesen Stellen des Buches habe ich parallelen zu meiner eigenen Religion gefunden. Eine muslimische Frau darf während ihrer Menstruation das Tagesgebet nicht vollziehen, nicht aus dem Koran lesen, in der Fastenzeit Ramadan nicht fasten. Nach der Menstruation vollzieht sie ein Ritualbad in ihren eigenen vier Wänden. Deshalb habe ich mich als Frau, sehr angegriffen gefühlt, als ich mir vorgestellt habe, dass ich mit Tüchern nachweisen müsse, dass ich wieder rein bin und an einem öffentlichen Ritualbad teilnehmen muss. So etwas ist schier unvorstellbar und für eine 17-jährige, wie Deborah es zu diesem Zeitpunkt war wohl sehr beschämend. Für Deborah steht nach der Geburt ihres Sohnes fest, dass sie die Glaubensgemeinschaft verlassen wird, bevor ihr Sohn drei Jahre alt ist und dann eine religiöse Schule besuchen muss. Deborah verlässt die Glaubensgemeinschaft zusammen mit ihrem Sohn und lebt seit dem in Berlin. Dieses Buch hat mich als Frau sehr bewegt. Ich habe keine Geschichte gelesen, die sich im 18. oder 19. Jahrhundert abgespielt hat. Nein, es ist eine Geschichte meines Zeitalters. Deborah ist gerade mal vier Jahre jünger als ich, und ich glaube, diese Tatsache, hat mich am meisten bewegt und entsetzt. Ich danke an dieser Stelle der Randomhouse Verlagsgruppe für das Rezensionsexemplar.

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