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Rezension zu
Strafe

Wie immer gut

Von: Michael Lehmann-Pape
21.03.2018

Was macht man als alternder Witwer „in den besten Jahren“. Wenn man, wie jeden Morgen seit zig Jahren, die Hand in die andere Seite des Bettes streckt, da aber seit vier Jahren kein Händedruck mehr erwidert wird? Schwarzer Hautkrebs. Schnell gings. In der noblen Gegend Hamburgs. Jeder Tag nach festem Rhythmus. Dort die Zeitung, hier das „petit dejeuners“, am Ende die immer gleichen Stufen zählend und nach Hause. Ins Leere. Kaum dringen Veränderungen ins Gemüt. Erst als die neue Nachbarin, blutjung, klingelt, um sich vorzustellen, man ins Gespräch kommt. Wochen später ein Gegenbesuch sorgfältig vorbereitet stattfindet, da kommt ein wenig Licht ins Leben des Mannes. Nun ist die junge Frau auch viel alleine, Reichtum hat seinen Preis, der ebenso attraktive, strahlende Ehemann ist erst spätabends je zu Hause. Schön, kann man denken, dass so ein Witwer ein wenig Anschluss noch findet, auch wenn er in sommerlichen Tagen ein wenig schlucken muss am Pool der Nachbarsleute ob des kaum verhüllten jungen Körpers. Es trifft sich, dass er nach geraumer Weile des Bekanntseins erst dann auch dem Ehemann persönlich begegnet. Bei dessen Hobby, dem „Schrauben“ an den automobilen Besitztümern. Wobei von Schirach nicht von Schirach wäre, wenn hier im Hintergrund nicht auch ein Hauch, ein Erleben aus der eigenen Praxis als Rechtsanwalt noch lauern würde. Was den Leser unverhofft, überraschend, fast lakonisch erzählt unmittelbar treffen wird. Im Gegensatz zur Entwicklung der Schöffin“, bei der von Schirach nicht das „Verbrechen“ in den Mittelpunkt setzt, sondern die innere Erlebniswelt der „Schöffin“ anhand ihres Lebensweges dem Leser offenlegt, bis am Ende Betroffenheit herrscht, wie aus all dem Befangenheit werden konnte und welche furchtbaren Folgen das in sich trägt. In jeder der Geschichten kommt das Talent von Schirachs, ohne weitschweifige sprachliche Ausschmückungen präzise die Punkte zu treffen. Und das eben nicht in anwaltlicher „Berichtsform“, sondern mit einem genauen und klaren Blick für die handelnden Personen, deren sich entwickelnde Motive, ob Betrachter, Opfer, Täter, der Leser ist immer genau auf der Höhe der Geschichten und Personen und damit emotional in bester Form beteiligt. Wofür als (je nach Geschmack) bestes Beispiel der kleine, 11jährige Junge und die „Mutprobe“ seiner Clique, den alten, fast blinden Mann, nur „Stinkefisch“ benannt, betreffend im Buch nachzulesen ist. Das erschüttert. In jede der Personen kann sich der Leser mühelos einfinden und dann ein Geschehen erleben, das nicht leicht zu verdauen ist. Eine, wieder einmal, hervorragende Lektüre.

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