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Rezension zu
If We Were Villains. Wenn aus Freunden Feinde werden

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein grandioses, sprachgewaltiges Debüt

Von: Isabella
11.10.2017

Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, was ich für "Das verborgene Spiel" empfinde, aber zwei Dinge kann ich ganz klar sagen: Es ist ein Buch, über das nicht ansatzweise genug geredet wird. Und es ist ein Buch, auf das man sich einlassen muss. Ich habe in der Inhaltsangabe nicht übertrieben, als ich schrieb, dass Shakespeare omnipräsent in dem Leben von Oliver und seinen Freunden ist. Sie zitieren Shakespeare in jeder Lebenslage, können immer die richtige Zeile anbieten; sie führen ausschließlich Shakespeare auf, und die Aufführungen beschreibt Rio mit einer Detailtreue, dass man teilweise seitenlang (ggf. leicht abgewandelte) Shakespeare-Dialoge liest. Darauf muss man sich einstellen. Wenn das nichts für euch ist, werdet ihr mit dem Buch vermutlich weniger Spaß haben. Ihr braucht allerdings nicht Shakespeare zu kennen – vor "Das verborgene Spiel" war ich lediglich mit "Romeo und Julia" und ein paar Sonetten vertraut, habe höchstens mal etwas während dem Lesen gegoogelt, um die Charakterrollen aus anderen Stücken besser verstehen zu können. Die Autorin flicht all das aber so gut ein, dass man mit den Charakteren auf der Bühne steht – und dazu braucht man nicht einmal den Text zu kennen. Letztendlich ist es ein Buch, dessen Charaktere von Shakespeares Stücken leben, und als Leser begegnet man derselben Sogströmung – von der ersten Seite an, denn statt in Teile und Kapitel ist das Buch in Akte und Szenen eingeteilt. Grandios! "Wir haben die Leidenschaften der Figuren, die wir gespielt haben, empfunden, als wären es unsere eigenen. […] Manchmal ist es schwierig, auseinanderzuhalten, wer wer ist." (M. L. Rio, Das verborgene Spiel, Penguin Verlag) Auch die Darstellung von Olivers Freundeskreis hat mir unglaublich gut gefallen. Richard, Alexander, James, Meredith, Wren, Filippa – jeder spielt eine andere Rolle, sowohl im Theater als auch außerhalb. Es benötigte nur wenige Szenen, bis ich sie auseinanderhalten konnte, was bei mir etwas heißt … M. L. Rio gelingt es mühelos, jedem der Charaktere distinktive Eigenschaften zu verpassen, vor allem aber auch Dynamiken unter den Charakteren zu entwickeln. Obwohl die Geschichte ausschließlich aus Olivers Perspektive in der ersten Person berichtet wird, hatte ich das Gefühl, neben seiner Geschichte Bruchstücke von sechs weiteren zu erfahren. Mein Highlight unter seinen Freunden ist ganz klar James – ein höchstintelligenter Charakter, der beste Schauspieler in der Gruppe, der sich gerade in den Rollen, die er dadurch erhält, eingeengt fühlt. Er ist Olivers Mitbewohner, sein bester Freund, vielleicht mehr? Rio schuf eine solche Spannung zwischen ihnen, dass ich förmlich an den Seiten klebte. Noch nie ist mir eine derartig undefinierte Beziehung begegnet, die mich so sehr packen konnte. Ich liebe es, wenn mir als Leserin die Antworten nicht auf dem Silbertablett präsentiert werden. Und auch hier schuf die Autorin einen Interpretationsfreiraum zwischen Andeutungen und Möglichkeiten, den ich liebte. "Er gehörte zu den Schauspielern, in die man sich verliebte, sobald sie die Bühne betraten, und ich stellte da keine Ausnahme dar." (M. L. Rio, Das verborgene Spiel, Penguin Verlag) "Das verborgene Spiel" ist letztendlich eine Geschichte von menschlichen Abgründen. (Wenn ihr den offiziellen Klappentext lest, verrät der auch etwas mehr – ich habe ihn erst hinterher gelesen und war froh darüber. Eure Entscheidung!) Von subtilen Nuancen zwischen den Charakteren bis hin zu gravierenden Entscheidungen, die die Charaktere treffen oder vor die sie gestellt werden, ist alles mit dabei. Die Andeutungen, die von Anfang des Buches vermittelt werden, werden schnell zu einer düsteren Realität, als man Zeuge davon wird, wie Oliver und seine Freunde immer tiefer in die Katastrophe rutschen. Rio schaffte es ebenfalls, mich wieder und wieder zu überraschen, die Geschichte sich in Richtungen entwickeln zu lassen, die ich nicht erwartete, rückblickend aber auf fast schon ein Ultimatum hinarbeiteten. Als ich mit dem Lesen des Buches begann, wusste ich nur, dass es außerhalb meiner Komfortzone lag, und war deshalb zögerlich, fast schon skeptisch – stattdessen entwickelte "Das verborgene Spiel" eine Sogwirkung, die es mir unmöglich machte, Olivers Geschichte loszulassen. "Doch so bricht eine Tragödie wie die unsere oder König Lear immer wieder unser Herz – indem sie einen bis zum allerletzten Augenblick glauben macht, dass es noch ein glückliches Ende geben kann." (M. L. Rio, Das verborgene Spiel, Penguin Verlag) Unter diesem Zitat notierte ich mir in dem Buch: "Wie ich mich seit ca. 430 Seiten fühle." Nach derartig hohen Einsätzen hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie Rio das Buch beenden würde – aber auch hier packte sie meine Erwartungen und stellte sie vollkommen auf den Kopf. Ohne etwas zu verraten: Das Ende überwältigte mich dermaßen, dass ich die letzten Sätze mehrmals las, die Anspielung googelte, begeistert den Kopf schüttelte, ein paar Tränen verdrückte und es noch einmal las. Dann setzte ich mich an meinen Laptop und bestellte mir mehrere Werke Shakespears. Wenn ich das nächste Mal in Olivers Welt zurückkehre, will ich gut vorbereitet sein.

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