Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Gezeitenkinder

Stürmische Zeiten auf Norderney

Von: K. Kruse
27.07.2023

Norderney – für viele bedeutet das Urlaub, Erholung und eine unbeschwerte Zeit zwischen Dünen, Sand und Meer. Auch Hanna verspricht sich eine angenehme und lehrreiche Zeit im Kindererholungsheim „Strandhafer“, wo sie eine Stelle als Pflegerin antritt. Doch schnell stellt sich heraus, dass die vermeintliche Inselidylle auch ihre dunklen Seiten hat, deren Ursprünge bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs reichen. Es ziehen stürmische Zeiten für Hanna heran und sie setzt sich zum Wohle der Kinder dafür ein, dass sich die Zustände im Heim „Strandhafer“ bessern. Allerdings stößt sie auf Widerstand und muss auf Norderney härter als gedacht um Gerechtigkeit und Wahrheit kämpfen. In ihrem Roman „Gezeitenkinder“ verknüpft Luise Diekhoff Fiktion mit historischen Begebenheiten. Inspiriert wurde sie zu dem Stoff, da ihre Mutter als Pflegerin auf Norderney gearbeitet hat. Genauso ein Kindererholungsheim wie „Strandhafer“ gab es auf der Insel zwar nicht, aber die geschilderten Begebenheiten haben einen wahren Kern , wie die Autorin im Nachwort erklärt. Aufgrund dieses historischen Bezugs fand ich das Thema des Buches interessant und nicht zuletzt hat mich „Gezeitenkinder“ angesprochen, da ich selbst von der ostfriesischen Küste komme und daher Bezug zum Handlungsort habe. Meiner Meinung nach hat Luise Diekhoff Norderney authentisch dargestellt und durch viele Details am Rande gezeigt, dass sie Ortskenntnis besitzt. Etwas mehr „Lokalkolorit“ hätte ich mir aber im Hinblick auf die Figuren oder typische Gepflogenheiten der Norddeutschen gewünscht, denn der spezifische Charakter von Land und Leuten wird nicht sehr deutlich. Zwar verzichtet die Autorin so immerhin auf platte Stereotype und die Geschichte bekommt eine stärkere Allgemeingültigkeit, aber Handlungsort und Personen wirken dadurch eben auch schnell austauschbar. Der Schreibstil liest sich einerseits flüssig und leicht weg, ist andererseits aber auch wenig ambitioniert oder literarisch anspruchsvoll. „Gezeitenkinder“ eignet sich deswegen gut als unangestrengte Urlaubslektüre, zum Beispiel wenn man vielleicht gerade selber an der Nordsee ist. Zu Beginn dümpelt die Handlung etwas vor sich hin, aber nach etwa 100-150 Seiten nimmt der Roman Fahrt auf und es kommt „Seegang“ in die Handlung. Je tiefer Hanna in die dunkle Vergangenheit des Kindererholungsheims und Norderneys eindringt, desto packender wird es! Jedoch ist Hanna nicht die alleinige Protagonistin, die auf Norderney in den Strudel von Macht, Moral und Verantwortung gerät. Da ist zum einen noch der Hausmeister des Kinderheims, Wilko, dessen Schicksal auch eng mit den geheimnisvollen Geschehnissen aus dem Zweiten Weltkrieg verknüpft ist und der im Verborgenen gegen das Vergessen von Verbrechen kämpft. Zum anderen trifft Hanna den Holländer Jan, der Spuren seiner im Zweiten Weltkrieg auf Norderney verschollene Tante sucht und ihr Schicksal klären will. All diese Handlungsfäden laufen am Ende überraschend zusammen und schärfen das Bewusstsein dafür, dass Menschen nicht die Augen vor Ungerechtigkeiten verschließen dürfen, sondern Verantwortung übernehmen müssen, um sich für das Wohl aller einzusetzen. Hanna, die sich anfangs noch als wenig mutig bezeichnet, gelingt es, diesbezüglich über sich hinaus zu wachsen und das moralische Handeln über den eigenen Vorteil zu stellen. Somit hat Luise Diekhoff trotz des eher leichten Erzähltons keinen seichten Roman geschrieben, sondern Stoff zum Nachdenken geliefert. Meiner Meinung nach dürfte „Gezeitenkinder“ LeserInnen gefallen, die die „Wunderfrauen“-Trilogie oder „Die Schule am Meer“ mochten. Und vielleicht darf man sogar auf eine Fortsetzung von Hannas Geschichte hoffen, denn die Autorin erwähnt auf den letzten Seiten: „Auf jedes Ende folgt etwas Neues“. Man darf gespannt sein, welche weiteren Wellen Hannas Leben schlagen wird.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.