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Rezension zu
Vardo – Nach dem Sturm

Überlebenswille versus Verblendung

Von: Helga Hensel aus Herzogenrath
20.08.2021

Vardø, eine nord-norwegische Insel Heiligabend 1617: Ein furchtbarer Sturm verwandelt die Bucht vor der Insel in ein tödliches Inferno, in welchem die Fischer des Dorfes allesamt ihr Leben lassen. Den trauernden Frauen des Dorfes bleibt nichts anderes zu tun, als baldmöglichst ihre Schockstarre und Trauer zu überwinden. Gefangen in Aberglauben und christlichen Regeln verharrt die Mehrheit der Frauen in ihren „üblichen“ Rollen. Zwei Frauen jedoch krempeln die Ärmel hoch und organisieren die anstehenden „Männerarbeiten“, damit sie überleben können und ihr Dorf eine Zukunft haben kann. Überlebenswille und Verstand überzeugen nach und nach auch die meisten, großen Zweifler, so dass die Erfolgsgeschichte einer „Insel von Frauen“ ihre Runde macht. Dies ruft mächtige Männer auf den Plan. Frauen, die allein – lediglich von einem Pfarrer betreut – ihr Schicksal in die Hand genommen haben, stellen eine Ungeheuerlichkeit, Unmöglichkeit und mit Sicherheit Hexenwerk dar. Dies zu überprüfen, ruft einen raubeinigen, im christlichen Glauben gefestigten, schottischen Inspektor auf den Plan, welcher die Lage vor Ort einer kritischen Überprüfung unterziehen soll. Nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen in Hexenprozessen, findet Absalom Cornet bald „seine“ Hexen in Vardø, welche im Rahmen eines grausamen „Prozesses“ überführt und schließlich hingerichtet werden. Das Buch nimmt mich schnell für sich ein, während ich miterleben muss, wie die Protagonistinnen versuchen, ihrem Leben ein Stück Normalität zurückzugeben, in der kargen nordnorwegischen Landschaft zu überleben und das Beste aus ihrem Schicksal zu machen. Sie kämpfen, sie arbeiten hart und können schließlich die Früchte ihrer Arbeit ernten und die existenziellen Sorgen hinter sich lassen. Was für großartige Frauen! Umso mehr lehne ich mich gegen den Schotten auf, welcher auf der langen Anreise nach Vardø quasi im Vorbeigehen eine Ehefrau gefunden hat und nun die „Ordnung“ auf der Insel um jeden Preis wiederherstellen will. Und damit stehe ich nicht allein. Einige Frauen von Vardø sind nicht bereit, die erlangte Selbstbestimmtheit aufzugeben. Basierend auf wahren, historischen Begebenheiten hat Kiran Millwood Hargrave einen großartigen, aber auch atmosphärisch dichten Roman geschrieben. Die Haupt-Protagonistin Maren wächst mir ans Herz, ich freue mich, dass sie mit Hilfe der resoluten Kirsten aus ihrem eigenen Schatten heraustreten kann und ungeachtet ihrer äußeren Stärke zart und verletzlich bleibt. Der Plot lässt mich gefesselt von Seite zu Seite voranstreben und trägt mich dem unvermeidlich nahenden Ende entgegen. Ein Zeitzeugnis aus dem 17. Jahrhundert, wo Mann sich für die Krönung der Schöpfung hält, Frauen jegliche Fähigkeiten jenseits von Haushalt und Bett abgesprochen werden, gepaart mit vermeintlich christlicher, gefährlicher Verblendung. Kiran Millwood Hargrave, Vardø – Nach dem Sturm, Roman, eBook, Diana Verlag, 15,99 €, 432 Seiten in der Print-Ausgabe, Erscheinungstermin 02.03.2020

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