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Rezension zu
Unsterblich

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Stillstand: Der Blick zurück

Von: ralfreitze
26.09.2016

Was würdest Du tun um ewig leben zu dürfen? Auch wenn Du dies nicht mehr mitbekommst. Alles? Im Jahre 2040 ist die Menschheit auf dem technischen Stand, dass man aus den gesammelten Daten eines Menschenlebens, sogenannte virtuelle Ewige erstellen kann. Virtuelle Abbilder der gelebten Menschen. Diese sind nur errechnete Duplikate der Gestorbenen und können sich nicht weiterentwickeln, da neue Situationen bei ihnen nicht einberechnet werden. Auch ist eine Todessperre eingebaut, über den eigenen Tod, bzw. generell über Tod kann man mit ihnen nicht sprechen. Damit überhaupt Daten aufgezeichnet werden können, tragen Menschen, die später Ewige werden wollen, sogenannte Lebenstracker, die in Echtzeit das Leben aufzeichnen. Das Monopol der Ewigen und der Aufzeichnungen teilen sich zwei Firmen, der mächtige Konzern Immortality, der die Daten und die Algorithmen erstellt und Fidelity, die die Ewigen zertifiziert. Witzigerweise sind die heute aktuellen Firmen die mit dem Datensammeln (noch im kleinen Stil) angefangen haben, wie Facebook, Google, Amazon oder Ebay nur Randfiguren in Jens Lubbadehs Zukunft. Damit der virtuelle Ewige gesehen werden kann, ist es verpflichtend, sich schon als Kind ein Implantat in das Gehirn einoperieren zu lassen. "NeurImplant vermengte direkt im Gehirn die echte Realität mit der virtuellen - samt aller dazugehörigen Sinneseindrücke. Die Realität wurde mit einer digitalen Ebene vermischt. Im Gehirn entstand so ein Amalgam aus Wirklichkeit und Virtualität. Heraus kam die Blended Reality. Immortals epochales Werk." Doch nicht nur Menschen mit einem Lebenstracker können später als Ewige weiterleben, die Kosten tragen die Kunden, die lebenslang alles zu viel verdiente Geld an den Konzern abtreten. Auch berühmte Persönlichkeiten können aufgrund von Film und Tonaufnahmen 'wiedererweckt' werden. Anfangs war man skeptisch, doch bald setzte sich das Ewigen-Konzept durch. Mit gestorbenen Schauspielern werden sogar wieder Filme gedreht. (Was heute teilweise auch schon im begrenzten Maße möglich und auch schon praktiziert wurde) "Als die ersten Ewigen dann auftraten, waren viele schnell überzeugt. Der Drang des Menschen, etwas Bleibendes in dieser Welt zu hinterlassen, seien es Kinder, Bücher, eine Formel oder auch nur eine eingeritzte Botschaft in einem Baum oder einer Parkbank, war übermächtig. Die Aussicht, ewig zu leben, wenn auch nur digital, war für viele Menschen einfach zu verlockend gewesen. Es war ein technischer Ausweg aus dem unerträglichen Gedanken an die eigene Endlichkeit." Die Firma Fidelity prüft die Ewigen, die immer nach einem bestimmten Schema reagieren müssen, dabei bedient sich Lubbadeh bei bekannten Science Fiction Größen wie Philip K.Dick. "Voight-Kampff. Der Name für diesen Qualitätstest der Ewigen war anfangs ein Insiderwitz der Fidelity-Psychologen gewesen. Aber mittlerweile nannten ihn alle so. Es handelte sich um eine Anspielung auf den Film Blade Runner, ein sechzig Jahre alter Klassiker der Science Fiction, in dem künstliche Menschen mithilfe dieses Tests entlarvt werden. Im Film werden ihnen sehr emotionale Fragen gestellt und gleichzeitig ihre Körperaktionen gemessen. Weil den Replikanten jegliche Empathie abgeht verraten sie sich durch die fehlenden unwillkürlichen Reaktionen." Bei den virtuellen Ewigen ist die Mikromimik, die unwillkürliche Reaktion, ein Algorithmus des Rechners und keine menschliche Reaktion. Diese Mikromimik ist von echten Menschen sehr schwer beeinflussbar. Ewige sind reine 'berechnete' Produkte, die aus den Daten der Lebenstracker errechnet werden und reagieren somit immer gleich. Benjamin Kari arbeitet als Analyst bei Fidelity und wird von der Firmenleitung zu einem geheimen Projekt gerufen: Marlene Dietrichs Ewiger ist verschwunden. Eigentlich unmöglich. Benjamin hat den Avatar von Marlene verifiziert und bekommt den Auftrag Marlene Dietrich zu finden. Dabei trifft er bald auf die Journalistin Eva Lombard, die eine große Story wittert und auf den gottähnlichen Hacker Reuben Mars. Bald stoßen Ben und Eva auf die Hintergründe des Falles Marlene Dietrich. Jens Lubbadeh hat konsequenterweise die Gegenwart weiter gedacht. Die Ideen, die er hat, sind interessant und regen zum Nachdenken an. Er beschreibt eine hoch technologisierte Gesellschaft, die trotz des Fortschrittes viele Schritte zurück gegangen ist. In Deutschland ist Helmut Schmidt zum sechsten Mal hintereinander Bundeskanzler geworden, in den Staaten ist es JFK. Die Menschheit sehnt sich nach Frieden, warum soll man ihnen diese nicht durch Rechnerleistung anbieten? Technologie als Heilmittel, der beherrschende Konzern Immortality als moderner Vatikan. Hardcore Science Fiction Fans werden aber doch etwas enttäuscht sein, das ist kein Science mit technologischen Erklärungen, das macht Lubbadeh nur am Rande und nicht tiefergehend. Seine Technologien sind gut angedacht, haben aber auch eine romantische Verklärtheit. Das zeigt z.B. die Wahl der Datacenter, die in monströsen Pyramiden hausen, aber auch die Darstellung wie Code in einen Rechner fliessen kann, Techniker werden bei diesem Buch nicht bedient. Leider bleiben auch die Charaktere etwas flach. Benjamin Kari ist ein etwas eindimensionaler Mensch ohne erkennbare Motivationen, Eva ist die schablonenhafte Journalistin, und Reuben Mars - nun, die Eierlegende Wolfsmilchsau, wie Nichtinformatiker sich das eben vorstellen. Die Geschichte ist passabel erzählt, aber auch ohne Überraschungen, außer dem Ende, welches nicht unbedingt vorrausehbar ist. Das Grundproblem das ich bei dem Buch hatte - nämlich die oberflächliche Behandlung der Themen, Geschichte und Charaktere - setzt sich am Ende fort. Leider ein Buch voll verschenkten Potenzials. Insgesamt ein interessantes Thema das Jens Lubbadeh aufgreift, das er, nach meinem Dafürhalten aber leider nicht literarisch und inhaltlich befriedigend umsetzen kann.

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