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Rezension zu
Hausbesuche

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Führt die Anonymität der Großstadt an der Nase herum - bis zum Kuchen

Von: Eva-Maria Obermann
15.08.2016

Stephanie ist in Elternzeit und lebt in Berlin. Als Mutter gehört sie plötzlich zum Feindbild. Als eine alte Freundin ihres Mannes sie als „auch eine von denen“ beschimpft, plant sie, Vorurteilen den Kampf anzusagen. Bewaffnet mit Kuchen, Kaffeepulver und Teesortimenten klingelt sie sich die Finger wund. Und wird tatsächlich eingelassen. Neben vielen Muttersein-wasnun-Büchern ist dieses erholsam. Denn Stephanie Quitterer kommt nicht nur mit einer eigentlich traditionellen und darum so innovativen Idee daher, sie hat auch auf vieles einen anderen Blickwinkel. Erstens lebt sie eben nicht in einem jener Berliner Viertel, in denen der Kinderwagen zum guten Ton gehört. Vielmehr begegnet ihr als Mutter Argwohn. Und dann auch noch eine Zugezogene. Zweitens ist sie gerade nicht der extrovertierte Typ, der leicht auf fremde Menschen zugeht. An Türen klingeln ist für sie nicht Selbsterfüllung, sondern Überwindung. Herrlich ehrlich, bisweilen ironisch, oft aber einfach nur nachdenklich und erfrischen klar ist ihr Blick. Die Angst vor der Festung, dem Nobel-Wohnhaus der Straße. Die Überraschung, eingelassen zu werden. Das Kennenlernen – oder auch nur flüchtiger Erhaschen eines Blicks. Mit Neugier für Mensch und Wohnraum geht die junge Mutter ans Werk. Und ist vieles, aber keine Freizeit-Bäckerin. Dabei geht die Autorin nicht nur auf die Frage nach der Gentrifizierung Berlins ein, sondern lässt Raum für persönliche Schicksale. Wie den Mann, in dessen Wohnung nicht mehr als eine Matratze ist. Oder die Frau, deren Sohn mit 12 tödlich verunglückte, und die einfach nicht wegziehen kann. Aber auch das schwule Pärchen mit den zwei Töchtern oder der betriebsame Arzt. Alle wohnen sie in einem Viertel, manchmal Tür an Tür. Ohne den anderen zu kennen. Sinnbild dieser Frage nach dem Nachbarn ist Astrid, bei der Stephanie mit Kuchen am Tisch saß, die ihrerseits Neugierig auf den eigenen Nachbarn ist. Die Anonymität der Großstadt wird auf skurrile Weise zur Schau gestellt und an der Nase herumgeführt. Bis sie vor einem Kuchen anlangt, der gegessen werden soll. Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. Bisweilen ist dann auch die Tochter dabei, begeistert über fremde Menschen, neue Gesichter, Eindrücke und Ablenkung. Doch natürlich ist nicht alles Friede Freude Eierkuchen. Viele Türen bleiben geschlossen. Stephanie muss mit Ablehnung und Zurückweisungen umgehen. Sie wird angeschrien und nicht zuletzt ausgelacht – vom eigenen Mann. Der schwankt zwischen Spott und extremer Besorgnis. Nicht nur die Faszination des Fremden hinter der nächsten Tür ist da, auch die Angst davor. Und selbst Stephanie kennt sie, will die Fremden, die nun auch sie besuchen, gar nicht reinlassen. Ein Paradox der Selbsterkenntnis. Das entstandene Buch ist nicht etwa eine Sammlung von Blogbeiträgen, sondern sorgfältig ausgewählt und mit einem roten Faden versehen. Jedem Kapitel ist ein Rezept vorangestellt, dass es mich in den Fingern juckt, den Backofen anzuschmeißen. Vom Entstehen der Wette mit sich selbst, bis zum letzten Hausbesuch, denkwürdig, vollkommen vielleicht. Dazwischen aber auch Mußetage, innere Überlegungen und die Entwicklung des Blogs parallel zu dem der Kuchenwette. So wird Hausbesuche auch zu einem Buch über das Bloggen, über das Leben an sich. Über Streitereien, lange Nächte, neue Dinge. Mit einem denkwürdigen Ergebnis. Eine Nachbarschaft ist entstanden.

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