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Rezension zu
Laufen lernt man nur durch Hinfallen

Wichtige Reflexion

Von: Michael Lehmann-Pape
08.08.2016

Eigentlich liegt es offen vor aller Augen und ist vom Prinzip her ganz einfach. Wenn man sich Kindern betrachtet, die Laufen lernen, dann ist dies ein Prozess des immer wieder Angehens und Versuchens, des „Stützen“ suchen und, eben, des ständigen Hinfallens, bis das Kind die Balance auf zwei Beinen gefunden hat. Übertragen gesehen, und auch das entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, ist jedes Herangehen an Neues, Unbekanntes, noch nicht Antrainiertes oder Eingeübtes ein ähnlicher Vorgang. Behaftet mit Aneignen, Erproben, vielfachem Scheitern und dann sicherer werden in dem, was man da Neues lernt. Das allgemeine Bild der Gesellschaft aber sucht, offenkundig, wenn man die Medien verfolgt, den dynamischen, erfolgreichen, belastbaren, kompetenten, souveränen, schlanken, fitten und attraktiven Menschen. Als „fertiges Produkt“ zudem noch. Hier aus der Reihe Fallen, sich Blößen geben, hochkant Scheitern und „Hinfallen“, das löst Sorge aus, das möchte niemand so richtig, der ins Erwachsenenleben eingetreten ist. Beides zusammen nun aber geht nicht, Neues wagen und den Lernweg betreten (der zunächst mit Scheitern und Fehlern und Hinfallen gepflastert ist) und zugleich bereits kompetent und souverän zumindest erscheinen können. So mag es sein, dass sich eine Vielzahl von Menschen im Lauf des Lebens immer weniger Risiken aussetzen und immer mehr nur in dem Verbleiben, was sie meinen, zu können, in dem sie sich sicher fühlen. Echte innere Stärke, so wie Brown sie nachvollziehbar im Buch vor Augen führt, besteht aber nun gar nicht in jenem „Image“, das aktuell so hoch im Kurs steht, sondern eben aus der Kraft, Neues anzugehen, unbekanntes Gebiet zu betreten und das Hinfallen als Lernprozess und nicht als Blamage zu betrachten. Auch wenn das Buch natürlich für den je individuellen Leser geschrieben ist, hier fast Brown spürbar ein allgemeines, gesellschaftsbestimmendes Thema an. Die Frage nach individueller, innerer Stärke und der Sicherheit seiner selbst im Gegensatz zum „sich eingliedern“ in die allgemein vorgegebene Rahmenbedingungen und „auf Nummer sicher“ gehen im Rahmen der umgebenden Kulturgruppe. Hemdsärmelig, mit vielen praktischen Beispielen aus dem Leben zur Illustration versehen, hautnah in der Sprache, führt Brown dabei mit spürbarer Begeisterung auf diesen Weg zum „Erlernen des Ertragens von Niederlagen und des Weitermachens nach einem solchen Hinfallen“. „Ich glaube mittlerweile, dass wir alle uns in unserem Leben zeigen und gesehen werden willen. Das heißt, dass wir kämpfen und Niederlagen erleiden werden“. Was, recht verstanden, zur Kerneinsicht führt, die Brown dem ausgeprägten Individualismus unserer Tage entgegensetzt: „Wir begleiten uns alle gegenseitig nach Hause“. Der praktische Kern (der einfach klingt aber tatsächliche hohe Überwindung kostet und ins Risiko führt) dabei ist eben jene „Verletzlichkeit“, die Brown definiert als „die Bereitwilligkeit, sich zu zeigen und gesehen zu werden ohne das Ergebnis zu kennen“. Der einzige Weg zu mehr Freude und Liebe. Mit dem Nachteil, das Stolpern und Fallen unabtrennbar zu diesem Weg gehören werden (ebenso, wie wunderbare Ergebnisse und Erlebnisse, was man aber erst hinterher wissen wird). Mutig zu sein und sich nach draußen zu zeigen. Wie man wirklich ist und fühlt. Mit gewisser Bangigkeit, aber auch mit der Erkenntnis, dass nur das zu Beziehungen und Ereignissen führt, die wirklich der eigenen Person, wie sie ist, gelten, den Weg dazu legt Brown in diesem Buch humorvoll und sehr, sehr verständlich vor die Augen des Lesers. Und motiviert ungemein, dass „das Wagnis sich lohnt“.

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