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Rezension zu
Leben eben!

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Individuelle Sinnsuche vs. kirchliche Vorgabe?!

Von: Bernhard Kirchmeier aus Wien
04.07.2013

1. DIE NEGATIVFOLIE: RELIGION KANN ANDERS Sie verbinden mit Religion im weitesten Sinne die alte Institution "Kirche"? Eine Institution, deren Interesse Macht- und Prachtentfaltung ist (S. 11)? Eine Institution, die zur lebensfernen Dummheit tendiert? (S. 12) Eine Institution, die Sie mit Verpflichtungen wie "Ritual- und Dogmenzwang" belastet (S. 224)? Eine Institution, die Sie in eine leidenschaftslose, skurrile und kirchenamtlich fixierte Sonderwelt entführen will (S. 7/S. 10) – Ja?! Oder: Zumindest ansatzweise? – Dann dann haben Sie recht genau das vor Augen, wogegen Joachim Kunstmann – mancherorts etwas polemisch – anschreibt. Er schreibt GEGEN ein Christentum, das glaubens-und kirchenzentriert ist und in seinen – z.T. fraglich gewordenen – Strukturen und Inhalten erstarrt. UND: Sie können versuchen, mit Joachim Kunstmann einen anderen Blick auf Religion zu werfen! 2. DIE THESE: SO KANN RELIGION! Sein pointierter Gegenentwurf lautet: Religion ist eine individuelle Haltung bzw. eine persönliche Einstellung. Eine Haltung, die dem einzelnen Menschen und seinem Leben dient. Eine selbstbestimmte Haltung, die sich von den "Klugheiten" der christlichen Tradition zehrt, sich von diesen aber niemals fremdbestimmen lässt. Er schreibt für ein Christentum, das religions- und menschenzentriert ist und positiv wirkt, indem es dem/der Einzelnen hilft, ein sinnreiches Leben zu führen. Es geht ihm um eine lebensdienliche autonome Religiosität abseits von Fragen der Kirchenzugehörigkeit, die es ermöglicht, Antworten auf Fragen wie "Wer bin ich?", "Wie kann ich leben?", "Was ist der Sinn?", "Wie bekommt mein Leben Tiefe?" in Freiheit zu ergründen. Kunstmann Anspruch ist gewaltig. Er meint bereits im ersten Satz seines Buches: "Nichts braucht der Mensch heute so sehr wie die Religion." (7). 3. DAS ZIEL: SENSIBILISIERUNG UND EINÜBUNG Für die eben skizzierte Sichtweise von Religion zu sensibilisieren und zu ihr zu ermutigen, ist Kunstmanns Ziel. Sogar erste Schritte zur Einübung in die religiöse Praxis sollen mithilfe dieses Buches – Es gibt sich im Untertitel als "eine Anleitung" zu verstehen – möglich werden; dafür wurden an das Ende jedes Kapitels Praxishinweise gestellt, d.h. Vorschläge zur Entdeckung und Gestaltung seines eigenen religiösen Lebens. Konkret begegnen hier eine Selbst-Inventur durch Innehalten in der Natur oder in einem Kirchenraum, eine Einübung ins Hören durch Traumarbeit oder durch Textmeditation, eine Wanderung an einen selbstgewählten heiligen Ort... 4. VERORTUNG IM DISKURS: Inhaltlich greift Kunstmann primär jenen Strang des praktisch-theologischen Diskurses auf, dessen prominentester Vertreter wohl W. Gräb ist: Hier wird Religion als lebensgeschichtliche Sinndeutung zu verstehen gegeben und ins Zentrum der theologischen Überlegungen gestellt. Auch in Kunstmanns "Leben eben!" weicht der Glaubensbegriff dem Religionsbegriff. Eine verstärkte Koppelung von Christentum und (Pop-)Kultur sowie eine stark anthropologisch dominierte Argumentation sind bei Kunstmann ebenso wie bei W. Gräb, I. Reuter und anderen Vertretern eine derartig gestalteten Theologie festzustellen. Die materialen Inhalte (fides quae) verlieren an Bedeutung und die formale Haltung (fides qua) wird qualitativ aufgewertet bzw. den Inhalten vorgeordnet – eine gegenwärtige Tendenz im theologischen Diskurs. Zudem argumentiert Kunstmann immer wieder mit der Tradition der Mystik, allen voran mit Meister Eckhart und räumt dabei en passent zu Recht auch mit Missverständnissen auf. 5. FAZIT Alles in allem, handelt es sich bei "Leben eben!" um ein allgemein verständliches und sehr pointiertes Buch, das die Herausforderungen des modernen Christentums und zeitgenössische Fragestellungen der Praktischen Theologie deutlich im Blick hat und dabei nicht – wie häufig – bei der Problembeschreibung stehen bleibt. Vielmehr versucht der Autor, christliche Religionspraxis bzw. christliche Glaubenskulturen innovativ zu imaginieren und im Dienste des Menschsein des Menschen (mit-)zugestalten.

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