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Rezension zu
Die Mutterglück-Lüge

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Warum ich lieber Vater geworden wäre

Von: Lisa Figas
24.02.2016

Der Begriff Regretting Motherhood ging durch die Medien. Darf man es bereuen, Mutter geworden zu sein? Die Autorin Sarah Fischer trägt mit Ihrem Buch „Die Mutterglück-Lüge“ ihre Sicht der Situation zu der Debatte bei. Es ist bisher noch nie vorgekommen, dass ich aufgeregt auf ein Rezensionsexemplar gewartet habe. Als ich dieses Buch endlich in Händen hielt, hatte ich es binnen 24h durchgelesen. Das liegt nicht nur daran, dass Sarah Fischer gut und kurzweilig schreibt. Ich konnte mich einfach in so vielen Punkten wiedererkennen. Sarah Fischer hat ein Kind und lebt in München. Ich habe eines und lebe in Augsburg. Das sind – grob überschlagen – etwa 75 km Entfernung zwischen ihrem Leben und meinem. Die Verhältnisse in München sind ähnlich wie in Augsburg – was die (bayerischen) Gesetze/Verhältnisse anbelangt. Und dennoch ist München anders. Diese Stadt scheint die krasse Überzeichnung aller Eltern-Klischees zu sein, die man so hört: Offen ausgetragene Glaubenskriege unter Schwangeren und Müttern: Stoffwindeln oder Plastikwindeln, Brei kochen oder kaufen, Babymassage oder PekiP? Zu wenig Plätze: Mit einem positiven Schwangerschaftstest zur Geburt im Krankenhaus anmelden? Na, Sie sind aber spät dran! Gleiches gilt für Kita und Kindergarten. Du bist, was Dein Kind trägt: Markenkleidung oder Second-Hand – alles ist ein Statement. Mit der falschen Klamotte verbaust Du die Karriere Deines Kindes! Tatsächlich kenne ich diese Berichte auch aus dem eigenen Freundeskreis. Über das geplante Erziehungskonzept ist sich ein kompletter Schwangerschafts-Yogakurs mal so in die Haare geraten, dass die Hälfte der Teilnehmerinnen nicht mehr hingegangen ist. Eine andere Freundin kaufte ein Fahrradschloss für den 800 Euro Kinderwagen, weil sie den nicht unbeaufsichtigt in der Kinderarzt-Praxis stehen lassen wollte… In dieses krasse Milieu gerät Fischer. Sie ist ein bisschen älter als die anderen Mütter, ein bisschen berufstätiger, ein bisschen unabhängiger, ein bisschen weniger dem Förderwahn verfallen und – das ist das wichtigste – ein bisschen weniger bereit, sich komplett den (scheinbaren) Bedürfnissen eines Kleinkindes zu unterwerfen. Und diese Kombination macht sie zu einer sehr einsamen Mutter, die sich im Kampf um Beruf, Partnerschaft und Kind zerreibt. Ich bin mir gar nicht sicher, ob es mir gefällt, dass Fischer am Ende einen tollen Weg aus ihrer Verzweiflung findet und – so scheint es im Buch – doch noch ein glückliches Familienleben führen kann. Denn der Eindruck, dass von den Frauen die Quadratur des Kreises verlangt wird, darf beim Leser ruhig krass uns schmerzhaft stehen bleiben. Schließlich – und das ist die wichtigste Aussage in der Mutterglück-Lüge – geht es nicht um individuelles Versagen, sondern um strukturelle Ungerechtigkeit. Diesen Unterschied kann man nicht gründlich genug betonen. Denn erst, wenn einem das klar wird, wird die Last auf den eigenen Schulter entwas erträglicher. Vater sein macht mehr Spaß! Mir gefällt vor allem der Untertitel des Buches: Warum ich lieber Vater geworden wäre. Sarah Fischer beneidet ihren Mann. Er hat seinen Beruf behalten (und sogar eine Beförderung angeboten bekommen) und eine Familie dazu. Dabei kann er nach Feierabend ein gemütliches Heim mit einem lachenden Kind erwarten. Am Wochenende plant er mit der gemeinsamen Tochter die Unternehmungen, die ihm Spaß machen. Toll! Im Gegensatz dazu zerreibt sich Fischer als die Mutter zwischen den Anforderungen des Alltags. Halbtags versucht Sie einem Job gerecht zu werden, den Sie vor der Geburt des Kindes nahezu pausenlos ausgeübt hat. Mittags hetzt sie zur Tagesmutter, welche eine Verspätung von 2 Minuten nicht dulden würde. Nachmittags langweilt sie sich entweder auf dem Spielplatz oder sammelt böse Blicke anderer Eltern ein, wenn Sie dort ihr Smartphone zückt um weiterzuarbeiten. Und dann sind da noch die tausend Kleinigkeiten, die zur Organisation von Haushalt und Kleinkind gehören. Angefangen bei der Wohnungssuche und nicht endend bei den Kinderarztterminen. Wie in vielen Partnerschaften bleiben auch an Sarah Fischer all die lästigen Alltagsaufgaben hängen, denn sie hat ja Zeit, weil sie ja nicht voll arbeitet. Die Wurzeln dieses Übels sind vielfältig. Speziell in München (aber grundsätzlich in Deutschland) sind die Betreuungsplätze rar. Doch auch die Barrieren in den Köpfen sind ein großes Problem für die Mütter. Sowohl Arbeitgeber als auch die eigenen Partner erwarten einfach, dass man in der Mutterrolle aufgeht. Und selbst dann, wenn das eigene Umfeld die Themen Gleichberechtigung und Lastenverteilung ernst nimmt, sind es oft die äußeren Umstände, die dann eben doch das Prinzip 50:50 verhindern. Mutterglück? Fast liebevoll denke ich an meine Praktikantin zurück, die mir letztes Jahr verkündet hat, sie würde Feminismus nicht brauchen. Klar, das dachte ich auch, als ich in der Uni neben meinen männlichen Kommilitonen saß. Was wollt Ihr denn? Geht doch! Dachte ich damals über Feministinnen. Dass das Leben als Frau erst dann wirklich schrecklich traditionell wird, wenn man Kinder bekommt und heiratet kann man im Studium noch nicht ahnen… Ich stelle mir vor, dass dieses Buch den Müttern hilft, die ebenfalls lieber arbeiten gehen und die Fingerspiele und Kinderlieder qualifiziertem Fachpersonal überlassen. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch Frauen geben darf, die ihre Elternzeit genießen und gerne mit Babies spielen. Es geht darum, dass man die Wahlfreiheit haben muss. Abgesehen davon, würde ich aber auch dem Bürgermeister von München ein Exemplar dieses Buches zuschicken. Und der Familienministerin. Und den Personalabteilungen der großen Unternehmen. Und all den schrecklichen Frauen in München, die sich auf dem Spielplatz das Maul über die Eltern zerreißen, die nicht die „richtigen“ Snacks/Spielsachen/Wechselklamotten für Ihre Kinder dabei haben. So ein Unsinn! Wie sagte schon Madeleine Albright: „Es gibt einen speziellen Platz in der Hölle, für Frauen die anderen Frauen nicht helfen.“ Der Verlag schreibt zu „Die Mutterglück-Lüge“: Eine Mutter, die es wagt, laut zu äußern, was manch andere nur heimlich, still und leise denkt – dazu hat Sarah Fischer den Mut. Sie ist 39, als ihr Wunschkind auf die Welt kommt. Sie hat sich bestens vorbereitet und ist zuversichtlich, dass sie Familie und Beruf als Freiberuflerin gut unter einen Hut bringt. Doch nach und nach muss sie erkennen, dass sie ihr altes Leben, dass sie liebte, eingebüßt hat. Und das liegt nicht an ihr, sondern an dem Rollenmodell und den Rahmenbedingungen, die in unserer Gesellschaft noch immer vorherrschen. Sarah Fischer ist jetzt Mutter und soll sich anpassen. Wenn sie nicht glücklich ist, ist sie selber schuld und ein Einzelfall. Tatsächlich?

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