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Rezension zu
Widerrechtliche Inbesitznahme

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Großartiges Buch!

Von: Devona
05.01.2016

Lena Anderson ist mit “Widerrechtliche Inbesitznahme” ein wunderbar intelligentes Buch über eine intellektuelle Frau, die Liebe im Allgemeinen und im Besonderen gelungen, welches auf sprachlich hohem Niveau fasziniert und dank Wertungsfreiheit auch ab und an lächeln lässt. Mit Sicherheit ein Buch, welches bei wiederholtem Lesen neue Facetten bietet. Ester ist eine sympathische Protagonistin, hochintelligent, gebildet, als Dichterin von, mit und durch Sprache lebend, analytisch und reflektiert. Sie hat ihr Leben im Griff, bis sie Hugo Rask begegnet und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Sie verliebt sich in den Künstler – die Idee, dass selbiger und der Mensch dahinter nicht unbedingt eine Personalunion bilden, kommt ihr nicht und liegt sicher auch anfänglichen außerhalb ihrer Wahrnehmungsfähigkeit. Ester selbst ist absolut und unbedingt, beseelt von der Suche nach Wahrhaftigkeit: diesen hohen Anspruch hat sie auch an andere Menschen. In diesem Buch passiert nicht viel: ein paar Treffen zwischen Hugo und Ester nach dem Vortrag von ihr und nachdem sie von einer Freundin die Gelegenheit für ein in der Presse veröffentlichtes Interview mit ihm erhalten hat und ihn deshalb aufsucht. Diese Treffen sind zwar intensiv und inhaltsschwer: es geht um Kunst, Philosophie, Wissenschaft und Weltanschauung. Sie sind aber letztendlich auch sehr einseitig: Zitata “Jedes Mal, wenn sie etwas kommentierte, kehrte Stille ein. Hugo bezog sich nie auf das, was Ester gesagt hatte. Ester bezog sich immer auf das, was Hugo gesagt hatte. Sie interessierten sich beide nicht sonderlich für Ester, aber sie interessierten sich beide sehr für Hugo.” Und während Ester bereits lichterloh brennt, bekommt der Leser schon eine Ahnung, in welche Kategorie Mann Hugo gehört: Zitat:»Man sollte sich davor hüten, Gefühle zu schildern«, sagte Hugo. »Es geht doch immer nur darum, das Gegenüber so zu manipulieren, dass es das empfindet, was man es empfinden lassen will. Und das geschieht nicht, indem man die Gefühle zeigt, sondern indem man sie hervorruft. Was ganz andere Mittel erfordert.« Ester flirtet nicht unter Einsatz typischer weiblicher Reize, Ester flirtet mit Sprache und Intellekt, jedes ihrer intensiven Gespräche ist für sie “erotisch aufgeladen”. Hugo ist und bleibt zwischenmenschlich unverbindlich. Und nach dreimaliger sexueller Begegnung war`s das dann für ihn. So wenig Lena Andersson auch über Hugo schreibt, so deutlich kann der Leser genau das spüren. Auch Ester spürt das, nur will sie es nicht wahr haben. Zitat: "Zwischen ihnen herrschte eine absolute Kontaktlosigkeit, eine unbehagliche Entfremdung. Er saß neben ihr in einem öffentlichen Lokal, verleugnete sie also nicht. Er frühstückte mit ihr, wenn auch kärglich, am Morgen danach. Das hätte also ein Fortschritt sein müssen. Aber sie waren Fremde füreinander. Diese Begegnung war nur eine Form. Ihr fehlte der Inhalt, und sie war deshalb bis zum Bersten gefüllt mit einem anderen Inhalt." "Sie hatten in dem Moment, in dem ihre Körper einander berührten, aufgehört zu sprechen. Die Liebe braucht Wörter. Für einen kurzen Moment kann man dem wortlosen Gefühl vertrauen. Aber auf Dauer gibt es keine Liebe ohne Worte und keine Liebe mit nur Worten. Die Liebe ist eine hungrige Bestie. Sie lebt von Berührung, wiederholten Versicherungen und dem Auge, das in ein anderes Auge schaut." Im Folgenden wird Esters Odyssee mit der rosaroten Liebesbrille beschrieben und zwar so gekonnt und fein nuanciert, dass es jedem Leser/in möglich ist, der schon mal unglücklich verliebt war, eine Stelle zu finden, an der er sich wieder erkennt. Und genau an diesen Stellen zaubert Lena Andersson uns ein Lächeln ins Gesicht, obwohl wir ansonsten schon mit Ester mitleiden oder uns zumindest gut in sie hinein versetzen können. Immer und immer wieder blockiert sie den eigenen Erkenntnisprozess, immer und immer wieder analysiert sie en Detail mit scharfem Verstand das eigene Fehlverhalten, nur um sich unmittelbar nach der Erkenntnis bewusst wieder falsch zu verhalten. Sie WILL diese Liebe, sie WILL die Beziehung mit diesen Menschen, den sie eigentlich wegen seiner Unverbindlichkeit und Rückgradlosigkeit zutiefst verachtet. Hugo Rask ist es nicht einmal in der direkten Auseinandersetzung, die von Ester mehrfach zu endgültiger Klärung gesucht wird, möglich, eindeutig Stellung zu beziehen. Ester könnte mit einem klar ausgesprochenen “nein” einen Schlussstrich ziehen, Hugo vermeidet dieses klare “nein”, für ihn ist Ester Projektionsfläche. Sie muss sich alleine quälen, denn auch der mahnende “Freundinnenchor” verkündigt ihr doch nur, was sie längst weiß. Zitat: "Folgendes hatte Ester Nilsson klar vor Augen: Hugo Rask schuldete ihr keine Liebe. Es gab kein Recht darauf, geliebt zu werden. Es gehörte zu einer einengenden Ehrenkultur, dass man Verpflichtungen erwarb, wenn man eine Frau umwarb oder mit ihr schlief, und noch mehr, wenn man nach dem ersten Beischlaf noch zu zwei weiteren Nächten in fleischlicher Gemeinschaft zurückkehrte. Und doch argumentierte sie auf diese Weise. Klar und deutlich sah sie, dass ihre Logik so funktionierte. Floh sie in eine alte und für ihr Ziel besonders untaugliche Geschlechterrolle, um mit ihrer Enttäuschung fertigzuwerden? Sollte sie nicht erhaben sein über diese törichten alten Vorstellungen von den männlichen Verpflichtungen gegenüber dem schwachen Geschlecht?" Ein langer Weg für Ester, großartig beschrieben von Lena Andersson. Ich habe mir noch nie so viel Leseeindrücke angestrichen wie in diesem Buch. Fazit: ein großartiges Buch über Liebe, Hoffnung und Menschsein, absolut empfehlenswert!

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