Rezension zu
Die Unvollkommenheit der Liebe
Als Romanfigur kann einem nichts Besseres passieren, als sich in einem Buch von Elizabeth Strout zu befinden
Großartig! Mit Lucy Barton hat Elizabeth Strout wieder einmal eine hinreißend menschliche Figur geschaffen: herrlich unvollkommen, die Bürde ihrer Geschichte tragend, von der Güte anderer zehrend, sich selbst auf der Spur. Nichts wird beschönigt, nichts gewertet. So wie Lucy Barton, die Icherzählerin es in einem Workshop bei der Schriftstellerin Sarah Payne lernt. Diese gibt Lucy einen wichtigen Satz mit auf den Weg: „Sie werden immer nur eine Geschichte haben. Sie werden diese Geschichte auf vielerlei Weise schreiben. Lassen Sie sich davon nie irre machen. Sie haben nur eine Geschichte.“ Und diese Geschichte ist es wert, aufgeschrieben und veröffentlicht zu werden, behutsam und zugleich unverfälscht. So wird aus Lucy eine erfolgreiche Autorin. Und auch Elizabeth Strout scheint diese eine – ihre eine – Geschichte immer wieder zu erzählen, virtuos und variantenreich: Die Geschichte von der Unvollkommenheit des Lebens und der Liebe, von menschlicher Schwäche und Stärke, von der Angewiesenheit auf die Güte anderer, auch Fremder, von der Schönheit des Versuchs, ein wahrhaftiges Leben zu führen. Und erneut schafft Elizabeth Strout das Wunderbare: dass man als Leser am Ende sämtliche Protagonisten ins Herz geschlossen hat, selbst die mit dem miesesten Charakter. Mit so viel Warmherzigkeit und Güte begegnet die Autorin den Figuren, die ihre Romane bevölkern. Am Ende denke ich, wie nach jedem ihrer Bücher: Wenn ich eines Tages sterbe, möchte ich als Figur in einem Roman von Elizabeth Strout wiedergeboren werden.
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