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Rezension zu
Unterleuten

Ein Roman, der einen Sturm auf die Buchhandlungen entfachen sollte

Buchhaus Elsenfeld
Von: Dr. Heinz Linduschka aus Elsenfeld
05.02.2016

Wenn man verstehen will, warum es 25 Jahre nach der sogenannten „Wende“ die ganz konkrete Einheit des Landes immer noch nicht gibt, dann sollte man Juli Zehs „UNTERLEUTEN“ lesen, das 640 Seiten-Buch, das Anfang März in die Buchhandlungen kommt. Hier entwirft die 1974 – ausgerechnet in Bonn! - geborene Autorin das Panorama einer Landschaft, in der sich Ost und West begegnen, in der es zu einer schier endlosen Reihe von Missverständnissen, von Konflikten, von Aggression und Gewalt kommt, in der es aber auch „menschelt“. Figuren finden einander sympathisch oder hoffen doch, mit- oder mindestens nebeneinander leben zu können. In 62 Kapiteln entsteht ein Kaleidoskop, in dem mehr als Dutzend Menschen aus unterschiedlichsten Perspektiven das Geschehen spiegeln. Dabei verläuft die Konfliktlinie längst nicht mehr nur zwischen Ost und West verläuft, sie trennt auch Jung und Alt, Frau und Mann, Kapitalisten, Sozialisten, Idealisten und Materialisten. Es geht um die Sehnsucht nach dem wahren Leben auf dem Land, das Städter umtreibt, um die Sehnsucht der Dörfler nach einem Leben in der Stadt ohne Enge und ohne drückende soziale Kontrolle, um idealistische Vorstellungen vom idyllischen Landleben, das an der Realität dieses Dorfes Unterleuten zerschellt - irgendwo in Brandenburg und nicht gar so weit von Berlin entfernt, jedenfalls in Kilometern gerechnet. In den 62 Kapiteln geht es um Neid und Eifersucht, Liebe und Sehnsucht, Hoffnungen und Pläne, Scheitern und Verzweiflung – und all das nie kitschig, nie pathetisch, nie floskelhaft, sondern immer ganz konkret, ganz glaubwürdig, ganz nachvollziehbar. Spätestens auf Seite 640 hat man dann begriffen, dass sich Leben trotz dieser eher entmutigenden Perspektive lohnt, eben weil ein anderes Lebens gar nicht möglich ist, wenn die Situation so ist wie in UNTERLEUTEN. Und dieses UNTERLEUTEN ist vielleicht nicht überall, aber doch viel präsenter als man glauben möchte. Das klingt jetzt alles ein bisschen theoretisch, ein bisschen langweilig auch. Dieser Eindruck aber wäre völlig falsch und würde Zehs Roman in keiner Weise gerecht. „UNTERLEUTEN“ ist nämlich ein facettenreiches Buch voller Leben, mit Figuren, die man lieben oder hassen kann, die einen aber nicht kalt lassen. Die Geschichte und die der klare, einfühlsame Sprache zeichnen den Roman aus. Juli Zeh schafft es, die emotionale und noch unsichere Jule und ihren 20 Jahre älteren Mann, den Vogelschützer Gerhard, genau so lebendig werden zu lassen wie die taffe Powerfrau Linda Franzen und den Zauderer Frederik – und das liegt nicht nur daran, dass diese Figuren wie der Leser aus dem Westen kommen. Denn auch die manchmal skurril wirkenden Figuren aus dem ländlichen Osten werden verblüffend authentisch und plastisch gezeichnet: Kron und Gombrowski, der „fette alte Hund“, „das Tier“ Schaller und die Liebe zu seiner Tochter, und selbst Hilde, diese Figur wie aus der Hexenküche im „Faust“, gehören zu diesem Figurentableau. Dazu kommt noch die faszinierende Spannung um ein lange zurückliegendes Geheimnis, um Verdrängung und um Beziehungen voller Sprengstoff. Alles in allem: Ein Roman, der am 8.3. einen Sturm auf die Buchhandlungen entfachen sollte, wenn literarische Qualität wirklich eine Rolle spielt. Man soll ja die Hoffnung nie aufgeben – auch das lernt man in „Unterleuten“.

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