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Rezension zu
Die Klagen der Toten

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ruhiger Krimi mit Tiefgang

Von: Michael Lehmann-Pape
20.10.2015

Wer rasantes Tempo, Aktion du knisternde Spannung erwartet, der dürfte bei Maurizio de Giovanni auch in diesem neuen Kriminalroman nicht unbedingt fündig werden. Wenn es aber um ausgefeilte und differenziert angelegt Figuren geht, und das durchweg und auf allen Seiten der beteiligten Personen, um eine ruhige, bildkräftig beschriebene Atmosphäre und mit diesen Figuren in dieser Atmosphäre um ganz grundlegende Dinge des menschlichen Seins wie Liebe, Leidenschaft, Gier, Eifersucht, Trauer, Verlust, Hoffnung, dann findet der Leser in diesem Roman vielfältige Anregungen, Erzählfäden und verschachtelte Wendungen, die in sprachlich ausgereifter Form für eine wunderbare Lektüre sorgen. Zunächst aber liegt er da. Der Professor. Gestürzt, gefallen oder geworfen aus dem Fenster seines Büros in der Klinik? Der Mann von fachlich bestem Ruf, aber, wie Commissario Ricciardi und sein Assistent Maione feststellen werden, im Privaten doch mit einigen dunklen Schatten versehen. Oder wie ist das zu erklären, dass der Mann bei einem Goldschmied einen Ring für seine Frau bestellt, diesen Ring aber gleich zweimal (beim Zweiten mit einem wertvolleren Stein versehen) ordert, samt der Gravur zweier verschiedener Namen? Und wie ist es zu verstehen, dass, bei näherem Hinsehen (was allerdings eben in diesem Roman dauert und einiges an Seiten verbrauchen wird), nicht jeder und jede dem Professor mit besten Gefühlen gegenüber standen? Während die beiden Ermittler in der sengenden Hitze Neapels in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts ihre ganz analogen Ermittlungen aufnehmen, nutzt de Giovanni den ruhigen Erzählfluss des Todesfalles, um links und rechts die Lebensumstände seiner Figuren zu beschreiben. Der Commissario, einer, der an den vertrauten Dingen und Menschen hängt, der in Sorge um seine Haushälterin, sein „Mädchen für alles“, seinen Mutterersatz Rosa sich befindet. Der den schweren, inneren Weg des Loslassens auf sich zukommen sieht. Während Maione jede Lire zweimal herum dreht und sich über die plötzliche Eigenständigkeit seiner Frau zunächst wundert und dann die Eifersucht intensiv kennenlernen wird. Während in einem ganz anderen Strang der Geschichte die junge Enrica Neapel verlassen hat (und damit auch den jungen Mann, der ihr Herz eigentlich doch bereits erobert hatte) und sich mit widerstreitenden Gefühlen am neuen Ort einem anderen Mann gegenüber vorfinden wird. Eine zusätzliche, langsame Entwicklung, die de Giovanni in Form von Briefen mit einfließen lässt und die zunächst gar nichts mit dem konkreten Todesfall zu tun zu haben scheint. Wenn aber zu Beginn, beim bildkräftig und mehrere Seiten lang geschilderten Fallen des Professors mitsamt dem „Zersplittern“ seiner Gedanken einer dieser Splitter herausgehoben wird, die Liebe, dann wird dort schon für den Rest des Buches gesetzt, dass es vor allem darum gehen wird. Um die Liebe in allen möglichen Erscheinungsformen (und deren Folgen). Von der Treue über die Leidenschaft, von der Sehnsucht über die Enttäuschung, vom „sich Finden“ bis zum „loslassen müssen“, all dies flechtet de Giovanni wieder einmal zu einem ineinandergreifenden Gesamtbild. Mit Längen, durchaus, aber präzise und in großer Ruhe atmosphärisch dicht erzählt. So dass der Leser sich mehr und mehr mit den einzelnen Personen und deren jeweiliger Gefühlslage zu verbinden versteht. Wobei die Lösung des Falles und der Umgang der beiden Ermittler mit dem Ergebnis dann fast zweitrangig erscheint hinter der Lösung all der verschiedener Herausforderungen des Lebens, denen sich die Protagonisten im Umfeld der Liebe gegenüber sehen.

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