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Rezension zu
Italienische Nächte

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ganz anders als

Von: Susanne Langer
08.09.2015

Apulien 1921: Clare Kingsley und ihr Stiefsohn haben eine lange Reise von England nach Süditalien hinter sich, weil Clares Mann Boyd seine Familie bei sich haben möchte. Er arbeitet als Architekt für den reichen Grundbesitzer Leandro Cardetta. Clare fühlt sich nicht wohl in der fremden Umgebung, auch hat sie den Eindruck, dass ihr Mann ihr etwas verheimlicht. Nach und nach erfährt sie, dass Boyd und Cardetta sich bereits von früher kennen, aber beide schweigen sich über die Vergangenheit aus. Als Leandros Neffe Ettore eines Tages verletzt zum Gutshaus der Cardettas gebracht wird, tut sich für Clare eine neue, fremde Welt auf. Sie ist vom ersten Augenblick an fasziniert von dem ernsten Mann mit den tiefgründigen blauen Augen. Je mehr sie über ihn erfährt und je besser sie ihn kennenlernt, umso stärker fühlt sie sich zu ihm hingezogen. Ettore verachtet die Lebensweise seines Onkels, denn er selbst führt ein ärmliches Dasein als Tagelöhner und kämpft ums tägliche Überleben, während Leandro, der ebenfalls in dieser kargen, elenden Umgebung aufgewachsen ist, sein Glück in Amerika gemacht hat und als reicher Grundbesitzer nach Italien zurückgekommen ist. Seitdem stehen Onkel und Neffe auf verschiedenen Seiten. Eine Annäherung scheint ausgeschlossen, denn in Apulien wütet ein erbitterter Krieg zwischen Arm und Reich. Die wohlhabenden Grundbesitzer bezahlen faschistische Schlägertrupps dafür, dass sie die einfache Bevölkerung in Schach halten, und die Rebellion der Tagelöhner, die Schwerstarbeit auf den Feldern der Reichen verrichten und kaum einen angemessenen Lohn dafür erhalten, sondern eher noch von den Aufsehern verspottet und erniedrigt werden, wird ein ums andere Mal zerschlagen. Als Ettore beginnt, Clares Zuneigung zu erwidern, gerät die junge Frau in einen Zwiespalt. Von nun an steht sie zwischen den Fronten, denn einerseits genießt sie Leandro Cardettas Gastfreundschaft, aber sie liebt Ettore, und diese Liebe darf nicht sein. Es ist, als würden sie beide an einem gähnenden Abgrund stehen, der durch nichts zu überbrücken ist. Zu tief ist die Kluft zwischen Arm und Reich, und den Liebenden ist klar, dass ihre Beziehung keine Zukunft haben kann, denn Clare ist verheiratet, und Ettore trägt tief in sich noch die Trauer um seine Verlobte, die durch ungeklärte Ereignisse ums Leben kam, und er will nicht eher ruhen, als bis er den Schuldigen gefunden hat. Liest man den Titel und betrachtet das schöne Cover, könnte man meinen, dass es sich bei diesem Buch um einen romantischen Liebesroman in „Bella Italia“ handelt. Wer dies erwartet, wird enttäuscht sein, denn dem ist ganz und gar nicht so. Das Italien, das hier geschildert wird, ist alles andere als idyllisch oder malerisch. Das Süditalien der Zwanziger Jahre, das Clare Kingsley erlebt, ist ein ödes Land, ohne Schönheit. Die schwere Arbeit auf den vertrockneten Feldern, die Schikanen der Aufseher und der karge Lohn haben die Menschen hart gemacht. Mit Unterstützung der reichen Grundbesitzer gewinnen die Faschisten immer mehr Macht im Land, und alle Verbesserungen, die in der Vergangenheit erreicht worden waren, sind hinfällig. Clare erlebt eine Welt, die ihr bisher völlig fremd war. Sie musste noch nie Hunger leiden oder Angst um ihr Leben haben. Was sie hier in Gioia del Colle erlebt, lässt sie aus ihrem Dornröschenschlaf aufwachen. Sie wird mit der brutalen Realität der hier herrschenden Lebensverhältnisse konfrontiert, aber sie lernt auch die Liebe kennen. Zwar ist sie seit Jahren mit Boyd verheiratet, aber die Gefühle in ihrer Ehe waren genauso gedämpft und verhalten wie ihr ganzes bisheriges Leben. Mich hat dieser Roman von der ersten Seite an gepackt. Er ist im Präsens und abwechselnd aus Clares und Ettores Sicht geschildert. Der Autorin gelingt es hervorragend, Stimmungen und Emotionen in ausdrucksstarke Bilder umzusetzen und Situationen mit wenigen, treffenden Worten darzustellen. Die Protagonisten sind sehr intensiv charakterisiert, und viele längere Passagen des Romans befassen sich mit dem Fühlen und Denken der Hauptpersonen. Manch einer mag dies als langatmig empfinden. Meinen Nerv hat dieser Roman jedoch voll und ganz getroffen, denn er gewährt einen intensiven Blick hinter die Kulissen und die glänzenden Fassaden, weit entfernt von touristischen Pfaden, sondern mitten ins reale Leben der damaligen Zeit, mit all seinen Problemen und Gefahren. Der Roman war völlig anders als erwartet, was ich jedoch positiv sehe, denn sowohl die Handlung als auch die Sprache haben weitaus mehr zu bieten als pure Unterhaltung, es ist eine eindringliche Geschichte, die lange nachhallt.

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