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Rezension zu
Dallmayr. Das Erbe einer Dynastie

Bohnenkaffee als Politikum – und was der Krieg mit Zivilisten macht

Von: Edith N.
28.04.2024

Teil 3 der Dallmayr-Saga rund um die Familie Randlkofer schildert die Jahre von 1933 bis 1945. Therese, die umtriebige Dallmayr-Chefin, die wir aus den vorangegangenen Bänden kennen, ist verstorben. Jetzt ist ihr jüngster Sohn Paul am Ruder. Der hat eine tüchtige Ehefrau, Lotte, die’s gut mit den Kunden kann und den Laden im Griff hat. Das passt schon. Wenn nur Sohn Gregor Interesse am Kaufmännischen hätte! Aber der tendiert eher in Richtung Pilot oder Flugzeugingenieur. Hermann Randlkofer, Pauls älterer Bruder, lebt mit seiner Familie auf dem Goldachhof. Auch sein Lebensentwurf passt. In seiner zögerlichen Art wäre er als Dallmayr-Chef kein guter Nachfolger für die Mutter geworden. Sie war eine mutige Visionärin, was er nie nachvollziehen konnte. Elsa, Pauls und Hermanns Schwester, die wir als verwöhntes Prinzesschen kennengelernt haben, ist mit ihrem russisch-jüdischen Ehemann Alexej nach Palästina ausgewandert, wo sie als hoch angesehene Anwältin, Lehrerin und Organisatorin im Kibbuz Degania herumwirbelt. Paul Randlkofer hat für sein Geschäft Visionen. Er will eine eigene Kaffeerösterei. Dallmayr-Kaffee, das wär’s! Also fährt er mit Lotte nach Bremen und wirbt dort den erst 19jährigen Kaffeeröster Fiete „Fritz“ Wünsche an. Das mit dem Kaffee wird der Hit, nur das Timing ist suboptimal. Die N a z i s mit ihren Schikanen für Nicht-Parteimitglieder wie Paul, Krieg und Rationierung … das alles hatten die Randlkofers nicht auf dem Schirm. Und dann bringt Sohn Gregor auch noch die Anwaltstochter Selma Böhm als Freundin daher, die in diesem Land bald ihres Lebens nicht mehr sicher ist. Aus Gründen. Jetzt erfahren wir, was die einzelnen Familien und Gruppierungen von 1933 bis 1945 erleben. Es dreht sich schon auch um das Delikatessengeschäft Dallmayr, aber noch ein bisschen mehr darum, was der Krieg für Zivilisten bedeutet. Das ist ein buntes Schicksals-Kaleidoskop, und wenn es schon eine Weile her ist, dass man die Vorgängerbände gelesen hat, braucht’s ein bisschen, bis man wieder weiß, wer wer ist und wer welche Agenda oder Probleme hat. Da wäre ein Personenverzeichnis hilfreich gewesen. Ungefähr nach der Hälfte des Bandes hatte ich langsam genug von den Kriegsgeschichten, jetzt hätte mich der Wiederaufbau mehr interessiert. Während das Kapitel „1933“ rund 200 Seiten umfasst, ging’s ab 1934 im Zeitraffer durch die Kriegsjahre. Mir war das sehr recht, sonst wär’s vermutlich zäh geworden. Gregors Fliegerg’schichten habe ich, pardon, nur so überflogen. Gegen Schluss ist auch wieder verstärkt vom Kaffee und dem Delikatessengeschäft die Rede und die Story bekommt mehr Tempo. Bohnenkaffee als Politikum … so hatte ich das noch nie gesehen. Und ich habe auch noch nie zuvor einen Dallmayr-Kaffee daheim gehabt. Jetzt schon. Es bleibt ein bisschen was hängen, wenn man so eine Familiensaga gelesen hat. Auf einmal fühle ich mich dem Unternehmen, das ich bisher hauptsächlich aus dem Werbefernsehen kannte, auf seltsame Weise verbunden. Mir war von Anfang an klar, dass das keine Biographie ist, sondern ein Roman. Was ich trotzdem gerne gewusst hätte: Was real und was fiktional ist. Dass Balbina und ihre Familie fiktive Figuren sind, war von Band 1 an klar. Elsa Randlkofer gab’s anscheinend wirklich – da war ich anfangs nicht sicher –, aber ob sie tatsächlich Anwältin war und in Palästina gelebt hat? Darüber schweigt sich Google aus. Im Gedächtnis bleiben wird mir vermutlich die rote Ursi mit ihrem Aufbegehren gegen die (politische) Gleichmacherei. Wir sind und wir leben alle unterschiedlich, warum also sollten wir alle dasselbe denken müssen? Mit Recht sieht diese einfache Gastwirtstochter das als Anfang vom Ende – und vertritt mit dieser vernünftigen Ansicht auf einmal eine lebensgefährliche Außenseitermeinung. Und das ist erschreckend.

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