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Rezension zu
Zwischen Welten

über die politische Religion

Von: der Michi
18.10.2023

Beim Stichwort "Debattenkultur" denken wir zeitgleich an soziale Medien und schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn so etwas in einem Roman abgebildet werden soll. Der Versuch allerdings ist mutig und letztendlich erweist sich das Medium "Briefroman" als passend. Briefe sind heute zwar WhatApps und Mails, aber das Grundprinzip bleibt. Die Geschwindigkeit ist deutlich höher und Theresa und Stefan müssen vor allem anderen erfahren, dass mit der Zuspitzung um der guten Sache willen das Zwischenmenschliche verlorengeht. Letztendlich ist das die wichtigste Botschaft des Romans. Ob das Gendersternchen wichtiger ist als die Existenz von Landwirten, ob Alltagsrassismus wichtiger ist als das Vermächtnis der eigenen Familie - zu diesen Thesen machen die Autoren keine finalen Aussagen, höchstens Andeutungen. Man kann aber nicht umhin, in Theresa die heimliche Sympathieträgerin zu sehen, deren Handlungen im Vergleich zu Stephans Rechthaberei vom elitären Kulturposten aus noch am nachvollziehbarsten sind. Am Ende sind es aber eben die Freundschaften und zum Teil auch Familien, die an solcher Rechthaberei und hochkochenden Emotionen kaputt gehen. Politische Einstellungen sind längst Ersatzreligionen geworden, deren Anhänger sich lieber verdammen als auszuhalten, dass andere Perspektiven ein Existenzrecht haben. Obwohl Theresa und Stephan grundsätzlich gute Voraussetzungen für den konstruktiven Diskurs haben, können sie sich dieser Dynamik kaum entziehen. Doch sie sind auch Opfer der Dinge, die sie heraufbeschwören. In dieser Hinsicht wird das Buch ab der Mitte auch ein wenig zur beißenden Mediensatire, wenn Stephan für seine woken Kollegen einfach nicht mehr woke genug ist und kurzerhand abgesägt wird und auch zum Thriller, wenn Theresa mit der Hilfe einer dubiosen Untergrundorganisation mehr Gerechtigkeit für Landwirte erkämpfen will. Wichtige Bücher über brandaktuelle Themen gibt es viele, doch die wenigsten liest man gern. Verständlichkeit, Nachvollziehbarkeit, Abwägung, beide Seiten wenigstens zu Wort kommen lassen, auch wenn man seine Meinung vehement verteidigt - all das scheint angesichts des eigenen Missionierungseifers passé. Hier liegt nicht nur ein Debattenroman vor, den gern liest, nein, er nimmt sich trotz durchaus erkennbarer Sympathien die Zeit, sich mit seinen nicht zu unterschätzenden Themen eigehend zu befassen und sie an der Realität zu prüfen. Das kann man nicht hoch genug einschätzen.

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