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Rezension zu
Zeit der Schuld

Spannender Noir-Thriller aus indien

Von: Sabine Ibing
07.10.2023

Der erste Satz: «Fünf Obdachlose liegen tot am Rande von Delhis Inner Ring Road.» Es beginnt mit einem schrecklichen Unfall in Delhi. Ein Raser überfährt mit seinem Mercedes fünf Obdachlose, die allesamt sterben. Ajay ist stockbetrunken gefahren, wird verurteilt, und er geht dafür ins Gefängnis. Doch saß Ajay am Steuer, oder jemand anderes, für den er den Kopf hinhält. Wenn ja, wer? Diese Frage durchzieht den gesamten Roman; und die Schlüsselszene wird gelöst. «Ja, er ist ein Dienstbote, ein Chauffeur, ein Fahrer, ein ‹Boy›. Eine wohlgenährte, stubenreine Version dessen, was da tot auf der Straße liegt. Und der Mercedes gehört ihm nicht. Man kann also mit ihm machen, was man will.» Ajay wird in einem kleinen Dorf im nördlichen Indien im Uttar Pradesh geboren, in einer Familie, die zur Kaste der Unberührbaren gehört, deren Job das Säubern der Trockentoiletten ist. Täglich schöpfen sie die Sch… aus. Die Latrinenputzer haben sogar Schutzpatrone. «Latrinenputzer, die mit Schiefer und Händen Sch… aus den Trockenklos der Dörfler kratzen.» Eigentlich sind heute in Indien diese Toiletten verboten, doch in der Realität hat sich hierzu und zum Kastensystem nicht viel geändert. Es sind die rechlosesten Menschen in Indien. Eines Tages hat Ajay die Ziege der Familie nicht ordentlich angebunden, die sich darauf im Nachbargarten genüsslich zu schaffen macht. Sein Vater wird vom Nachbarn halb zu Tode geprügelt, worauf die Mutter wütend den achtjährigen Ajay an einen wohlhabenden Bauern verkauft. Ein Sklave von nun an, immerhin sehr freundlich gehalten, und er lernt in dieser Familie Lesen und Schreiben, erreicht ein wenig Bildung. Als der Bauer nach Jahren verstirbt, ist Ajay frei und bekommt in einem Café im Touristengebiet einen Job als Kellner. Hier lernt er Sunny Wadia kennen, der aus einer der angesehensten Familien Indiens stammt, ein charismatischer junger Mann, der in den Tag hinein lebt. Sunny gefällt der fleißige Ajay. Er nimmt ihn mit nach Deli, macht ihn zu seinem Assistenten, später, im Nahkampf ausgebildet, wird er sein Leibwächter. «Es war alles gelogen… ich liebe Schönheit. Ich möchte schöne Dinge schaffen. Aber das ist das Letzte, was die kapieren. Sie wollen, dass ich an der Oberfläche schön und innen völlig verdorben bin, so wie sie.» Sunny soll später die Geschäfte seines Vaters übernehmen, denn er ist der einzige Sohn. Aber er hasst den gewissenlosen Padron, der zwielichtige Geschäften macht, alles aus dem Weg räumt, was sich ihm entgegenstellt. So will Sunny nicht werden, träumt stattdessen von einer gerechten Gesellschaft und der Modernisierung der Slums mit modernen sauberen, hygienischen Häusern; Wohnungen,. die letztendlich diese Armen nicht bezahlen können. Sunny lehnt sich auf gegen die Härte des Vaters, der aus ihm einen Mann machen will, den Sohn für einen Waschlappen hält. Sunny verliebt sich in die Journalistin Neda, wünscht sich eine Zukunft mit ihr – auch das ein Traum, den sein Vater zertreten würde. Vielleicht einfach abhauen mit Neda, sein eigenes Ding aufziehen! Ein verschwenderischer Lebensstil im Rausch von Luxus, Gewissenlosigkeit, Alkohol und Drogen. Hier ist niemand gut – einige sind richtig böse, wobei manche Charaktere Opfer ihrer Verhältnisse sind. Neda und Sunny trennen sich, Sunny rutscht immer weiter in Drogen und Depression ab. Ajays Loyalität ist bedingungslos. Er muss ihn beschützen, vorbehaltlos! Er muss tun, was man ihm sagt. Das ist sein Job; rückhaltlos! Es gibt eine Reihe Nebengeschichten: Verbrechergeschichten, Misogynie, eine Tüte prallvoll mit Crime – Gewalt, die die auf Indiens Straßen herrscht. Der gesamtee Wadia-Clan ist so etwas wie ein indischer Mafia-Clan, und fast alle Familienmitglieder und wichtige Angestellte sind gnadenlose Gangster. Ajay als Hauptprotagonist, dazu Sunny und Nadia als Hauptpersonen dieser Geschichte, die uns die sozialen Verhältnisse in Indien schildern, die Machtstrukturen zwischen arm und reich und bitterarm, eine frauenfeindliche Gesellschaft im Kasten- und Klassendenken – Korruption von Politik und Wirtschaft, des gesamten Rechtssystems. Und es geht um Tradition und Moderne, Metropole und Land, extreme Gegensätze in Indien – und um Liebe und Verrat. Indische Literatur, spannend geschrieben, stilistisch beeindruckend mit einem Füllhorn von atmosphärischen Strängen und schuldigen Protagonist:innen. Caligula oder der Pate? Na eben so was auf Indisch. Zeit der Schuld ist der erste Teil einer Trilogie. Ich freue mich auf den nächsten Teil! Empfehlung! Diesen Noir-Thriller habe ich halb gelesen, halb gehört, dabei die ein oder andere Stelle doppelt genossen. Daher Buch und Hörbuch, die ich beide empfehlen kann.

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