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Rezension zu
Zwischen Welten

Ein hochaktueller Gesellschaftsroman, der unterhält und zum Nachdenken anregt

Von: Wandern zwischen Büchern
27.03.2023

Ich weiß nicht, ob ich jemals schon einen derart aktuellen und brisanten Roman gelesen habe. Juli Zeh und Simon Urban diskutieren auf ca. 450 Seiten all die Themen, die mich persönlich und uns als Gesellschaft in den vergangenen Jahren beschäftigt haben. Und sie sind dabei gleichermaßen ehrlich und schonungslos wie entlarvend und am Ende auch versöhnlich. Worum geht’s? Der Hamburger Journalist Stefan und die Brandenburger Landwirtin Theresa treffen sich nach 20 Jahren zufällig wieder. Die ehemaligen Studienfreund:innen, die gemeinsam Germanistik studierten und sich eine Zeit lang eine Wohnung teilten, leben mittlerweile in völlig verschiedenen Welten und haben auf den ersten Blick nicht mehr viel gemeinsam. Trotzdem führt ihr Aufeinandertreffen zu einem regen E-Mail-Austausch über die eigenen Ansichten und Prinzipien und über brandaktuelle Themen wie den russischen Einmarsch in die Ukraine, die realen Probleme von Landwirten und Landwirtinnen, Rassismus, Gendersprache und und und. Schnell wird klar: Stefan und Theresa vertreten größtenteils völlig unterschiedliche Positionen, haben unterschiedliche Probleme und sind nicht immer in der Lage, auf die Ansichten der oder des anderen einzugehen. Ihr bisweilen hitziger Disput steht stellvertretend für all die kleinen und großen Auseinandersetzungen innerhalb unserer Gesellschaft. Das Bemerkenswerte daran: Auch wenn die beiden nicht immer Rücksicht aufeinander nehmen und ihr jeweiliges Gegenüber zum Teil scharf angreifen oder sogar beleidigen – am Ende finden sie immer irgendwie wieder zueinander. Und das hat mir imponiert, denn es zeigt, dass man unterschiedlicher Meinung sein kann und hitzige Debatten führen kann – ohne einen unüberwindbaren Graben zwischen einander zu schaffen. Ich mochte es außerdem, dass die Geschichte mir vor Augen geführt hat, dass man eigene Positionen und Prinzipien immer auch weiter- und überdenken muss. Denn obwohl ich mich grundsätzlich eher mit Stefans Meinung identifizieren konnte (nicht nur in Bezug auf gendergerechte Sprache), musste ich auch Theresa häufig recht geben und konnte ihre Kritik an Stefans Vehemenz und seinem manchmal doch sehr eingeschränkten Weltbild nachvollziehen. „Zwischen Welten“ zeigt beide Seiten der Medaille. Es veranschaulicht die Folgen eines zu einseitigen, zu verfahrenen Diskurses und es zeigt, dass wir mehr und offener miteinander sprechen und uns selbst immer wieder reflektieren müssen. Dabei war die Geschichte von Stefan und Theresa für mich aber nicht nur lehrreich (es gab einige großartige AHA-Momente für mich), sondern auch wahnsinnig spannend. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, weil die Diskussionen so hitzig und die Probleme so real sind. Außerdem hat die Korrespondenz zwischen Theresa und Stefan immer wieder starke Emotionen in mir hervorgerufen: Ich war entsetzt, schockiert, wütend, bewegt, traurig, zufrieden, glücklich. Vom zustimmenden Nicken bis zum ungläubigen Kopfschütteln war alles dabei. Wahnsinn! Dass „Zwischen Welten“ als moderner Briefroman gestaltet ist und sich ausschließlich aus E-Mails und Messenger-Nachrichten zusammensetzt, macht die Geschichte für mich umso authentischer. Ich mag diese Form des Erzählens unglaublich gerne und in „Zwischen Welten“ sorgt sie dafür, dass man sowohl an Stefan als auch an Theresa ganz dicht dran ist. Man erfährt beide Positionen aus erster Hand, man ist sozusagen neutrale/r Zuschauer:in und kann am Ende selbst entscheiden, wo man steht. Nach der letzten Seite habe ich das Gefühl, einerseits großartig unterhalten und andererseits zum Nachdenken angeregt worden zu sein. Ich finde übrigens nicht, dass es sich um ein politisches Buch handelt – vielmehr ist „Zwischen Welten“ ein fantastisch geschriebener Gesellschaftsroman, der den Finger in die Wunde legt und alle irgendwo trifft. Und damit ist es für mich ein einzigartiges, ein hochaktuelles und brisantes Buch, das ich jedem und jeder unbedingt ans Herz legen möchte!

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