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Rezension zu
Zwischen Welten

Hinhören! Hinlesen! Wahr nehmen!

Von: Seitenflüsterin
26.01.2023

Dieser Roman bringt schon einmal eine Besonderheit mit sich: Er besteht komplett aus Emails und Whats App Nachrichten zwischen den beiden Protagonisten. Dies bringt meist diverse potentielle Schwierigkeiten mit sich, das letzte Buch in dieser Erzählform das ich gelesen habe war damals 'Gut gegen Nordwind', das für mich einer der größten Flops meiner Lesegeschichte war. Dennoch war ich dem Rahmen gegenüber vorurteilsfrei, denn die Schwächen des genannten Romans waren andere. So ließ ich mich freudig darauf ein. Ich mag generell wenn Kapitel kurz und übersichtlich sind, so kann ich leichter wieder einsteigen und kurz unterbrechen (ich bin eine Abends im Bett- Leserin, und irgendwann fallen mir da die Augen zu). Schon auf den ersten Seiten merkte ich allerdings, dass zwischen diesem Buch der beiden Autoren Juli Zeh und Simon Urban und dem Roman von Daniel Glattauer Lichtjahre liegen und die beiden absolut null vergleichbar sind. Der Anspruch ist ein ganz anderer, alleine sprachlich ist 'Zwischen Welten' eine echte Wohltat. Mich würde natürlich interessieren ob die beiden Autor*innen sich die beiden Charaktere beim Schreiben auch so aufgeteilt haben- ob sie vielleicht tatsächlich während des Schreibprozesses einen jeweiligen Alter Ego angenommen haben und das Buch dann quasi diesen Austausch zusammenfasst? Nun, vielleicht werden wir das noch erfahren. Grundsätzlich geht es hier schon ganz schön zur Sache. Beide Hauptcharaktere- Theresa und Stefan- könnten nicht weiter voneinander entfernt sein, was ihr Leben angeht. Sie führt einen Milchhof in der brandenburgischen Provinz, er gehört zur Kulturelite Hamburgs. Beide haben Probleme, die der jeweils Andere nicht nachvollziehen kann und kollidieren in ihren Ansichten massiv. Und da nehmen sie auch kein Blatt vor den Mund, vor allem Theresa findet wirklich deutliche Worte, die mich manchmal die Luft einziehen ließen. So. Mein erster Eindruck war erstmal sehr positiv. Im Laufe des Romans gibt es dann jedoch durchaus ein paar Längen und Redundanz, so wiederholen sich beispielsweise Theresas Vorwürfe, Stefan sei in seiner Blase gefangen, immer wieder. Nur: Das stimmt auch. Im Austausch wird immer wieder klar, dass Stefan in Wirklichkeit nur einen Meter weit sieht und seine eigenen Probleme und täglichen Anforderungen ganz anders (wichtiger) gewichtet als die existentiellen Probleme Theresas. Letzten Endes hat sie das Gefühl, nicht wirklich gehört und verstanden zu werden, was schließlich zur Eskalation führt. Ich empfand den Austausch der Beiden als sehr gutes Abbild zu den gesellschaftlichen Problemen, die hier auch kritisiert werden sollen. Theresa (als Sinnbild der Landwirt*innen) wird nicht wirklich gehört und ernst genommen, bis es eskaliert. Und dann verkehrt sich das Bild in der Öffentlichkeit ins Gegenteil. Mich hat der Roman sehr berührt. Als jemand, der sich zwischen beiden Positionen einordnet brachte mich dieser Schlagabtausch schon wirklich zum Nachdenken, und das Ende tat verflucht weh. Inzwischen habe ich auch ein paar Kritiken gelesen und kann nur mit dem Kopf schütteln. Genau das, was im Roman angeprangert wird, geschieht darin. Es wird sich über Formalia aufgeregt, anstatt zum Kern des Problems vorzudringen und die Krise wirklich wahr zu nehmen. Für mich persönlich: Ja, auch ich bemerkte Redundanz und die ein oder andere Länge. Aber das Gesamtwerk ist für mich trotzdem so rund und wichtig, dass ich hier die volle Punktzahl vergebe. Ein Roman, der einer systemrelevanten Minderheit eine Stimme verleiht die so laut schreit und doch nie gehört wird, ist wichtiger als perfekte Stilistik.

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