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Rezension zu
Der verkannte Mensch

Neandertaler: Neues aus der Archäologie und Paläogenetik

Von: Elementares Lesen
25.10.2022

Seit bekannt wurde, dass Svante Pääbo, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, den Nobelpreis für Medizin 2022 erhält, sind Neandertaler wieder in aller Munde. Denn Pääbo ist ein Pionier der Paläogenetik und entschlüsselte das Erbgut des Homo neanderthalensis. Da kommt ein brandaktuelles Buch über diese Menschenart gerade recht: »Der verkannte Mensch« von der britischen Archäologin Rebecca Wragg Sykes. Lange Zeit galten sie als primitive Steinzeit-Menschen mit mehr Muskeln als Hirn, ohne Sprache und ohne Kultur, dem Homo sapiens hoffnungslos unterlegen. Doch aktuelle Forschungen ergeben ein anderes Bild! Die Autorin stellt unser bisheriges Wissen auf den Prüfstand und berichtet von spannenden Erkenntnissen aus der Archäologie. Wragg Sykes behandelt verschiedene Aspekte: den Körperbau des Homo neanderthalensis, seine Kindheit, den Umgang mit Steinen und weiteren Materialien, die Ernährung, seine nomadische Lebensweise und die Bedeutung von Geburt und Tod. Der Lebensraum der Neandertaler erstreckte sich über ganz Eurasien. Sie besiedelten diesen Raum bereits vor 450.000 Jahren und verschwanden vor etwa 40.000 Jahren. Die Autorin berichtet unter anderem von archäologischen Fundstätten in Frankreich, Deutschland und Spanien, dem Irak und Marokko. Wie lebten die Neandertaler in den Höhlen, die sie zeitweise bewohnten? Woher stammen die Steine, aus denen sie Werkzeuge herstellten, und wie wurden sie bearbeitet? Was kann man aus den Feuerstellen herauslesen? Was verraten ihre Knochen über Ernährung und Gesundheit? Wie sah die Aufgabenverteilung von Männern und Frauen aus und welches Verhältnis hatten sie zu Liebe und Sexualität? Schon das kleinste Knochenfragment oder der Zahnstein bringen neue Erkenntnisse, dank der Paläogenetik und anderer moderner Methoden! In früheren Jahrhunderten wurde die Anordnung und Schichtung der Objekte am Ausgrabungsort oft vernachlässigt. Neue Untersuchungen an alten Fundstätten helfen bei der Korrektur von Fehldeutungen. Doch vieles bleibt Spekulation, da nur Bruchstücke erhalten sind. Die Autorin schlägt verschiedene Deutungen zur Lebensweise der Neandertaler vor und überträgt Wissen über andere Menschenarten, Schimpansen und Bonobos behutsam auf die Neandertaler. So erhalten wir faszinierende Einblicke in die Arbeit von Archäolog:innen. Aus Tausenden Puzzlestücken und Interpretationsansätzen versuchen sie ein schlüssiges Gesamtbild zu modellieren. Heute ist erwiesen, dass die Neandertaler gar nicht primitiv waren. Es waren robuste Menschen, die Wüsten und Meeresküsten, Steppen und Gebirge besiedelten. Sie passten sich an Warm- und Eiszeiten an, lebten in familiären Netzwerken und waren geschickte Handwerker:innen. Sie erfanden und optimierten, reparierten und recycelten Werkzeuge und sie benutzten mehrteilige Waffen für die Jagd. Bearbeitete Vogelfedern, Muscheln und andere Artefakte deuten auf einen ausgeprägten Schönheitssinn der Neandertaler hin. Sie gingen sexuelle Beziehungen mit den modernen Menschen ein und waren dem Homo sapiens in vieler Hinsicht ebenbürtig. Rebecca Wragg Sykes nennt sie im Originaltitel Kindred: Verwandte, denn sie sind uns ähnlicher als gedacht. Ein Bruchteil ihrer DNA steckt in allen Menschen Europas. Warum sie ausgestorben sind, ist unbekannt und wird sich vielleicht niemals aufklären. »Der verkannte Mensch« ist ein faszinierender Ausflug in die Menschheitsgeschichte! Ein spannendes Buch, das uns auf den aktuellen Forschungsstand über Neandertaler bringt! Vermisst habe ich nur eine Karte der Fundstätten und einen chronologischen Überblick, denn man verliert sich gelegentlich in dieser Erzählung quer durch die Jahrtausende.

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