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Rezension zu
Der Verrat

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ruhe oder Gerechtigkeit

Von: Nadine Schmidt
19.08.2022

Mit ihrem Roman “Der Verrat” wagt sich Ellen Sandberg in ein Milieu, das auf den ersten Blick wenig spannend wirkt. Aber das Spannungsverhältnis der Winzerfamilie hat großen Potenzial. Wir haben es einerseits mit hemdsärmeligen Bauern zu tun, die allerdings Aussicht auf einen hohen Umsatz und somit Reichtum haben, der sich aus dem Weinbau an der Saar erzielen lässt. Nane, eine der Hauptfiguren, wird nach zwanzig Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen, sie ist der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Als Leserin oder Leser ist man natürlich sofort stark daran interessiert zu erfahren, warum eine junge Frau für so lange Zeit weggesperrt wird. Was hat sie sich zu Schulden kommen lassen? Doch Sandberg hält uns an der langen Leine, wirft uns Brotkrumen hin und weiht uns alle immer etwas weiter in den großen Kreis der beteiligten Familienmitglieder ein. An Nanes Freilassung auf Bewährung stört sich am meisten ihre Schwester Pia, die eigentlich zufrieden mit ihrem Mann auf dem Weingut Graven lebt. Der lange zurückliegende Grund dafür ist das Geheimnis. Ruhe oder Gerechtigkeit? Ellen Sandberg folgt in “Der Verrat” ihrem üblichen Schema und bleibt sogar der Schwesternkonstellation treu. Man ist also mit ihrer Schreibweise vertraut, maßt sich wahrscheinlich sogar schon an, Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Autorin schließen zu können. Doch die bekannte Wortwahl und Konstruktion der unterschiedlichen Handlungsstränge mindert nicht die Spannung. Menschen sind eben von Grund auf neugierig und dementsprechend möchte man unbedingt erfahren, was im Juli 1998 der Auslöser für die Missverständnisse und Verwirrung innerhalb der Familie war. Das bisher bewährte Stöckchen hinhalten und dann wegziehen, funktioniert dieses Mal allerdings nicht so gut. Wir halten uns eher intensiv mit dem Weg auf, aber die initial eingepflanzte Ahnung bestätigt sich dann doch am Ende. Jedoch hadert man wieder mit seinen eigentlich fest verankerten Werten und stellt sich die Frage, ob man manches nicht tatsächlich besser ruhen lassen sollte. Wie weit willst du gehen? Die wesentliche Frage in “Der Verrat” von Ellen Sandberg ist eigentlich: Wie weit willst du gehen? Was und wen bist du bereit, für deinen eigenen Vorteil zu opfern? Im Vergleich zu “Die Schweigende” und “Das Geheimnis“, vereint Ellen Sandberg hier allerdings sehr viele – zu viele – menschliche Abgründe auf einmal. Rivalität, Rache, Liebe, Eifersucht, Lügen und Schuld, es gibt einiges zu verantworten, sodass es noch schwieriger ist, sich emotional auf eine Seite zu schlagen. Genau dieses Hadern mit den Beweggründen und das ständige Wechseln der Seiten, auf die man sich als Leserin oder Leser schlagen möchte, machen in diesem Fall den Reiz aus, überfordern aber auch. Als besonders bedrückend kann man das Schweigen empfinden, leider eine häufige Angewohnheit von Familien. Wobei Familien in diesem Roman eigentlich nur die Übersetzung für zufällig genetisch verbunden zu sein scheint, denn von positiven, emotionalen Verknüpfungen kann kaum die Rede sein. Die eingangs erwähnte Möglichkeit, die Gegensätze im Leben einer Winzerfamilie aufzudröseln, wurden bedauerlicherweise nicht vollends ausgespielt. Der Roman wurde auf Basis eines Hörbuchs rezensiert, was auf jeden Fall einen anderen Eindruck, eben den durch den sprachlichen Ausdruck beeinflussten, hinterlässt.

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