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Rezension zu
Der Markisenmann

Markise, hoch oder runter?

Von: Nadine Schmidt
24.07.2022

Mit seinem neuen Roman “Der Markisenmann” legt der deutsche Autor und Journalist Jan Weiler wahrscheinlich eine seiner besten Geschichten vor. Fast zwei Jahrzehnte nach seinem Durchbruch mit “Maria ihm schmeckt’s nicht”, hat man beinahe vergessen, dass er seine ganz eigene Weise für das Erzählen mit schrägen Typen hat und ausgehend vom bürgerlichen Milieu große Geschichten erfindet. So auch mit der Geschichte von der fünfzehnjährigen Kim, die über Umwege ihren Vater Ronald Papen zwangskennenlernen muss, indem sie einfach über die Sommerferien bei ihm geparkt wird. Ihre materiell sorgenfreie Welt und seine minimalisierte könnten kaum unterschiedlicher sein. Doch ziemlich schnell stellt sich heraus, dass ihr dieser Aufprall auf dem Boden der Realität guttut und sie mit ihrem Vater, auch abgesehen von Äußerlichkeiten, doch einiges verbindet. Sommer im Pott Das Buch “Der Markisenmann” von Jan Weiler springt potenziellen Leserinnen und Lesern bereits durch das Artwork ins Auge. Das Motiv einer sehr hässlichen Markise im Design der Siebzigerjahre und darüber noch dieser neongrüne, verschiebbare Umband. Wahrscheinlich trifft man hier schon die erste wichtige Entscheidung: Umband abmachen und zur Seite legen, nach oben oder nach unten schieben? Jan Weiler gelingt es, uns fix in das schrullige Umfeld von Ronald Papen einzuführen. Man gewöhnt sich schnell, an die Tatsache, dass er in einer Lagerhalle wohnt und von seinem mäßig lukrativen Tagesgeschäft mit den Markisen mehr schlecht als recht lebt. Und auch die wettfreudigen Saufkumpanen wachsen einem schnell ans Herz. Wobei der Ausdruck Saufkumpanen dem Verhältnis wohl nicht gerecht wird und Papen selbst bei den regelmäßigen Besuchen in Rosi’s Pilstreff auch meistens gar keinen Alkohol trinkt. Aus gut kann schlecht werden und umgekehrt Seine Tochter Kim erkennt schnell, was die Vorzüge ihres Erzeugers sind, gewöhnt sich an das Klein-Klein und hilft ihm dabei, beim täglichen Klinkenputzen erfolgreicher zu sein. Tochter und Vater bewegen sich schrittweise aufeinander zu und selbst wenn keine langen oder tiefgründigen Gespräche stattfinden, dann merkt man doch als stille Mitleserin, dass es zwar sehr zaghafte, aber kontinuierliche Verständnisschritte sind, die das Verhältnis der beiden überhaupt mal in irgendwelche Bahnen lenken. Vor allem erkennt man, dass vermeintlich negative Handlungen aus positiven Absichten erfolgen können und umgekehrt. Jan Weiler schreibt humorvoll und vor allem, schreibt er vorrangig von Dingen, über die er Bescheid weiß und schaut den Leuten direkt auf den Mund. Deshalb versteht man auch schnell den Reiz der verrauchten Kneipen, die Wertigkeit einer Pfütze, mag die Schnoddrigkeit des Potts, findet die Einkaufstheorien von Papen einleuchtet, kann die Gespräche im Fußballstadion ebenso nachvollziehen, wie die kleinen Wissenschaften über Würste und den Ansporn im Skat-Wettbewerb einen großen Schinken zu gewinnen. Klein halten oder groß machen? Zum Ende hin, gibt es dann doch noch einen verhältnismäßig großen Knall, der aber zumindest sauber aufarbeitet, warum “Der Markisenmann” eigentlich so ist, wie er ist. Und plötzlich wandelt sich der Ansatz von Coming of age in eine große Erzählung über Schuld, Reue und Verzeihen. Das kommt etwas plötzlich und wird zum Ende hin auch zu viel und zu fantastisch ausgewalzt. Es gibt dem Roman aber die notwendige Tiefe. So wirkt das Buch aber erst wie eine harmlose Balkonlektüre, die man schmunzelnd mal eben so verschlingt. Dass Jan Weiler zum Ende hin den emotionalen Knüppel auspackt, ein großes Familiengeheimnis lüftet, viele Perspektiven ruckartig verschiebt und die Markisen als Parabel auspackt, ist typisch für seine Erzählweise und hebt ihn von anderen Autoren und Autorinnen ab. Das Schönste an seinen Bücher ist, dass sie immer so stark nach ihm selbst klingen, dass man seine Stimme im Ohr hat und meint, er würde sie selbst vorlesen.

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