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Rezension zu
Der Ausflug

Unglaubliche Paddeltour

Von: Marina Büttner
13.07.2022

Dirk Kurbjuweit thematisiert in seinen Romanen oft aktuelle gesellschaftliche Zustände. Mehrere Romane habe ich von ihm vor längerer Zeit gelesen. Dieser nun interessierte mich aufgrund der Thematik. Denn bereits dem Klappentext nach, kann man davon ausgehen, dass es sich um das Thema Rassismus dreht. Doch es geht um viel mehr. Es geht um Beziehungskonstellationen, die Kraft von Freundschaften, um die Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen Mainstream und Gutbürgerlichkeit, um alte und neue Verletzungen. Und die Geschichte ist spannend wie ein Krimi. Vier Freunde machen regelmäßig einmal jährlich zusammen eine Reise. Das letzte Mal war es eine Bergwanderung in Südtirol, nun ist eine Kanupaddeltour übers Wochenende geplant. Unschwer ist die Landschaft als eine in Brandenburg zu erkennen, sehr wahrscheinlich ist es der Spreewald. Amalia, um die dreißig, ist die einzige Frau. Von ihr erfahren wir auch am meisten in mehreren Rückblenden. Dabei ist ihr Bruder Bodo, den sie selten sieht, und die Freunde Gero und Josef; alle sind bis zum Abitur gemeinsam zur Schule gegangen. Dann trennten sich die Wege. Nur Amalia und Josef waren länger zusammen, sie waren eine zeit lang ein Paar. Gleich am ersten Abend, als sie in einem Landgasthaus übernachten, in dessen Schankraum sie zu Abend essen, wird Josef angefeindet und bedroht, da er schwarz ist. Amalia verteidigt ihn sofort, die anderen beschwichtigen. Am nächsten Morgen geht es weiter. Auch beim Kanuverleih wird Josef angegafft, die Freunde zahlen für schlechte Boote mehr als bei Buchung ausgemacht. Dennoch beginnen sie frohen Mutes mit der Fahrt. Amalia hat eine Karte, bestimmt die Richtung. Kurbjuweit gelingt es von da an eine Stimmung zu erzeugen, die die Leser*innen selbst auf der Hut sein lässt, wie es in kurzer Zeit auch die Paddler sind. Merkwürdigkeiten passieren. Ein Jäger mit einer Armbrust erschießt Rehe. Ein Pickup taucht in der Nacht unweit der Zelte auf, Kinder lassen die Kanus in die Schleuse, aber nicht mehr heraus. Immer sind es seltsame Dinge, die passieren, die aber doch auch zufällig passiert sein könnten. Sie begegnen einer seltsamen Glaubensgemeinschaft, einem Straußenzüchter. Als Leserin denke ich sofort an die Reichsbürgerbewegung oder die völkischen Siedler … Da Amalias Karte nicht besonders genau oder alt zu sein scheint, wissen sie schließlich nicht mehr, wie sie am letzten Tag wieder den richtigen Weg zurück finden können. Sie paddeln von Fließ zu Fließ, alles sieht ähnlich aus. Die Stimmung verschlechtert sich. Nirgends haben sie mit dem Handy Empfang. Bald gibt es Streitereien, bald zeigt sich unterschwellig, wenn auch ungewollt, Misstrauen. Als eine Drohne an ihrem Rastplatz auftaucht und ein Päckchen ablegt, wissen alle, dass das nun kein Zufall mehr ist. Sie sind zum Ziel geworden. Vielmehr Josef ist zum Ziel von Fremdenfeindlichkeit geworden. Angst breitet sich aus, zurecht, denn die Zeichen werden immer eindeutiger. Bald zeigt sich, dass in Aussnahmesituationen auch Freunde, vielleicht unbewusst, zwischen schwarz und weiß differenzieren. Bald zeigt sich, dass diese so fröhlich begonnene Reise zum Kampf ums Überleben wird und eine große Prüfung für die Freundschaft. „“Wahlen sind nicht immer und überall das richtige Mittel. Wahlen können spalten. Danach gibt es Gewinner und Verlierer. Wir sollten uns nicht spalten lassen.“ „Hast du mir nicht erklärt, dass Wahlen das große Fest der Demokratie seien. […] die makellose Grundlage der Macht? Die Macht ist hier. Die Pistole.““ Mehr will ich zum inhaltlichen Verlauf nicht verraten, um nicht die Spannung zu nehmen. In Kurbjuweits Roman wird ein wichtiges Thema verhandelt, zudem ist die Geschichte wirklich spannungsreich komponiert. Was mir ein wenig unangenehm auffiel, war, dass der Autor die Landbevölkerung, die im Roman auftritt, als minderbemittelt und dümmlich darstellt. Das finde ich nicht gerecht. Nicht jeder Großstadtmensch ist per se einem Dorfbewohner geistig überlegen. Seltsam scheint mir auch, dass zur Sommerzeit keine anderen Kanutouristen unterwegs sind, die helfen könnten und auch das es durchgängig kein Telefonnetz geben soll, kommt mir unglaubwürdig vor. Mir schien es allerdings auch unmöglich, dass es Fremdenfeindlichkeit in einem solchen Ausmaß gibt. Ich kann die Geschichte zum Schluss hin dann auch nicht mehr als realistisch nachvollziehen. Auch das Ende lässt viel zu viele Fragen offen. Das Hörbuch wurde von Shenja Lacher eingelesen, den ich bisher als Sprecher noch nicht kannte, der aber mit seiner Stimme genau den richtigen Ton für diese Geschichte trifft.

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