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Rezension zu
Der Markisenmann

"Unerhört..."

Von: Dr. Tobias Kallfell
13.06.2022

In seinem Roman „Der Markisenmann“ erschafft Jan Weiler charmante Figuren mit einem Hauch von Skurrilität und schildert warmherzig und emotional, wie sich die fünfzehnjährige Kim und ihr Vater behutsam während der Sommerferien 2005 einander annähern. Kim ist verhaltensauffällig und ein Beispiel für Wohlstandsverwahrlosung, sie fühlt sich auch aufgrund des Verhaltens ihres Stiefvaters Heiko in ihrer Familie als Außenseiterin und rebelliert. Mit ihrem Bruder Geoffrey kommt es zu einer Eskalation und als „Strafe“ muss Kim ihre Ferien bei ihrem leiblichen Vater Ronald Papen verbringen, einem Vertreter für Markisen. Diese sechs Wochen werden für Kim zum Sommer ihres Lebens, sie lernt ihren Vater kennen, hilft ihm bei seiner Arbeit, erlebt die erste Urlaubsliebe und die Vater-Tochter-Beziehung verändert sich. Auch ein lange gehütetes Familiengeheimnis wird gelüftet. Und das alles wird einfühlsam und auch mit einem Hauch von schwarzem Humor erzählt, der aber in meinen Augen nie die Grenze des guten Geschmacks verletzt. Und zum Ende hin erhält das Werk auch noch Tiefe. Berichtet wird aus der Ich-Perspektive von Kim, und zwar rückblickend, mit einem zeitlichen Abstand von 17 Jahren zu diesem Sommer. Besonders gefallen haben mir der humorvolle Erzählton und die stellenweise bildhafte und pointierte Sprache. Auch der „Ruhrpott-Charme“ kommt gut zum Ausdruck. Lustige Sprachschöpfungen tragen zur Abwechslung bei und laden zum Schmunzeln ein (zum Beispiel „die tektonischen Platten seiner Einkaufsplanung verschoben sich“, S. 89). Da wird das äußere Erscheinungsbild Duisburgs amüsant beschrieben, die Kneipe „Rosis Pilstreff“ wird grotesk dargestellt und ein gewöhnlicher Einkauf im Supermarkt wird zu einem psychologischen Abenteuer und zu einem Kampf gegen das System. Auch über das Fußballfachgesimpel zum MSV-Duisburg und über das geschilderte Skatturnier musste ich herzhaft lachen. Mein persönliches Highlight war das Verkaufsgespräch von Kim und Papen mit dem Mittelalter-Fan (vgl. S. 210 ff). Auch die Figuren sind mir während der Lektüre sehr ans Herz gewachsen. Ronald Papen, der in einer Werkshalle wohnt, ist ein unglaublicher Optimist, hinter jeder Tür sieht er die Chance eines Verkaufs, er lässt sich auch von Rückschlägen und Absagen nicht unterkriegen. Er bleibt stets gutgelaunt und arbeitet akribisch weiter. Er übt seinen Beruf mit einer unnachahmlichen Hingabe aus. Auch der Nerd Alik mit seiner multinationalen Herkunft ist ein interessanter Charakter. Die Freunde von Papen (eine „Schicksalsgemeinschaft von Frühverrenteten, Nichtsnutzen und Träumern“) sind herrlich skurril, aber jederzeit warmherzig. Man möchte mit Lutz, Achim, Oktopus und Heiko direkt ein Bier trinken gehen. Heiko, der Stiefvater von Kim, erscheint zunächst als überkandidelter Großkotz, also als eine Art Kontrastfigur zu Papen, doch der Blick des Lesers auf ihn verändert sich im Laufe der Lektüre. Das ist gut gemacht! Überhaupt ist positiv anzumerken, dass sich die Charaktere im weiteren Verlauf der Handlung weiterentwickeln, sie sind also nicht statisch angelegt. Das hat mir sehr gut gefallen. Fazit: Ein warmherzig verfasster Roman mit liebenswerten, skurrilen Charakteren, die sich im Laufe der Handlung weiterentwickeln. Das Ende verleiht dem Roman eine angenehme Tiefe, so dass auch eine gewisse Ernsthaftigkeit bei der Lektüre entsteht. Viele Stellen laden zum Schmunzeln ein. Das Werk überzeugt mit seinem humorvollen Erzählton und jeder Menge „Ruhrpott-Charme“. Ich gebe volle 5 Sterne und empfehle es auf jeden Fall weiter.

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