Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Landpartie

Landpartie. Ein Corona-Roman unserer Zeit?

Von: Henrik Jürgens
26.05.2022

Dieser autobiographisch geprägte Roman „Landpartie“ versetzt den Leser in die Anfangszeit des Virus. Ein Schriftsteller lädt seine besten Freunde aus College-Zeiten und einen berühmten Schauspieler, dessen Vorname ungenannt bleibt, auf sein Anwesen ein. Dorthin flieht die Gruppe, um sich das neuartige Virus in der „City“ nicht einzufangen. Die handelnden Personen und ihre Berufe werden gleich zu Anfang vorgestellt, was für den Leser eine unheimliche Erleichterung darstellt, da der Roman stellenweise dicht erzählt ist und man Sorge tragen muss, mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft zu jonglieren. Die Zeit auf dem Anwesen steht bereits von Anfang an unter keinem guten Stern. Auch der Rest der Zeit verläuft nach dem Motto „Ferien mit Konfliktpotenzial“. Die Hauptthemen für die Freunde und den Schauspieler sind Erotik, Begierde und Lust. Mit zunehmender Dauer entgleitet dem Hausherrn die Kontrolle, bis er schließlich durch den Schauspieler aus dem Haupthaus und in einen der Bungalows vertrieben wird. Kurz darauf zieht der besagte Schauspieler ebenfalls aus und die Dynamik der Figuren zueinander verändert sich nochmals. Nunmehr leben die College-Freunde wie zu jenen College-Zeiten, allerdings zwanzig Jahre später. Schließlich hält das Corona-Virus doch Einzug in der Kolonie, mit dramatischen Folgen… Der Roman spricht viele Themen des 21. Jahrhunderts an. Das Vertrauen der Menschen auf Algorithmen, um mit deren Hilfe den Partner fürs Leben zu finden, aber auch die damit verbundenen Tücken der Technik und die wechselseitige Beeinflussung der Kulturen. Beinahe jede vorkommende Figur hat Migrationshintergrund, was für einen in den USA spielenden Roman nichts Ungewöhnliches darstellt, dennoch zeigt Shteyngart auf, welche Probleme die Einwanderung mit sich bringt, wie den Spagat zwischen der eigenen und der „fremden“ Kultur, die Konflikte, die es mit sich bringt, das nicht vorhandene Heimatgefühl. Der Autor gibt vielmehr über diese Konflikte eine Zustandsbeschreibung des Post-Trump Amerika. „Landpartie“ ist ein vielschichtiger, extrem klug komponierter und durchdachter Roman. Die Geschichte der Freunde auf dem Anwesen des Schriftstellers dient leitmotivisch als Grundgerüst für die darunter liegenden und zu Tage tretenden Konflikte der heutigen Zeit. Er ist nicht nur der definitive Corona-Roman unserer Zeit (und nicht etwa DeLillos Stille) sondern auch ein implizit politischer Roman. Shteyngart ist ein wacher Beobachter unserer Zeit und scheut auch nicht, ihr den Spiegel vorzuhalten, auch gegen die eigene Bequemlichkeit.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.