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Rezension zu
O. Henry - Die besten Geschichten

…gelungene Anthologie eines brillanten Geschichtenerzählers!

Von: Andreas Kück - LESELUST
28.02.2022

William Sydney Porter – wie O. Henry mit richtigem Namen hieß – erblickt im Jahre 1892 das Licht der Welt und war zeitlebens ein wahrer „Tausendsassa“, der nichts unversucht ließ, um sich und die Seinen finanziell halbwegs über Wasser zu halten. So verdingte er sich u.a. als Verkäufer, Cowboy und Bankangestellter. Die letztere Tätigkeit hätte er lieber lassen sollen: Verführte sie ihn doch zu einer „kleinen“ Unterschlagung, bei der er (dummerweise) geschnappt wurde und daraufhin eine mehrjährige Haftstrafe verbüßen musste. Kaum wieder auf freiem Fuß trat er eine Stelle als Journalist bei der Houston Post an, konnte somit seiner bisher vernachlässigten Leidenschaft dem Schreiben frönen und avancierte in kürzester Zeit zu einem der bestbezahlten Schriftsteller Amerikas. Sein Pseudonym „O. Henry“ fand er übrigens in einem Arzneimittelhandbuch, als er sich im Gefängnis zum Apothekergehilfen weiterbildete. Zu O. Henrys bekanntesten Geschichten zählt mit Sicherheit Das Geschenk der Weisen. Diese bitter-süße Erzählung über zwei junge Menschen, die sich so sehr zugetan sind, dass sie bereit sind, das Wertvollste was sie besitzen für den anderen herzugeben. Diese wunderschöne Geschichte ist auch bei uns in div. Übersetzungen und mannigfaltigen Aufmachungen erhältlich. Wobei ich von den vier mir bekannten Fassungen immer noch die Übersetzung von Theo Schumacher für den NordSüd-Verlag bevorzuge. Dabei möchte ich die Leistung von Alexandra Berlina zu dieser Anthologie nicht schmälern. Manchmal sind es nur kleinen Feinheiten, die Einfluss auf den Tonfall einer Geschichte nehmen und so eher dem persönlichen Gusto entsprechen. Somit beschert uns Alexandra Berlina keine schlechtere Übersetzung als ihre Vorgänger*innen. Zumal wir in den Genuss kommen, uns weiteren Stories widmen zu dürfen. Zur schon erwähnten Geschichte gesellen sich hier 14 weitere, die zwischen den Jahren 1906 bis 1911 entstanden sind, und uns so einen Einblick aus seinen New Yorker-Erzählungen ebenso geben, wie aus den Kurzgeschichten, die vom Leben im Wilden Westen erzählen. Diese Anthologie bietet somit einen abwechslungsreichen Querschnitt aus seinem Œuvre und ermöglicht uns, einen absoluten Meister der „short story“ näher kennenzulernen. O. Henrys Held*innen sind immer gestrauchelte Persönlichkeiten, die oftmals am Rande des Existenzminimums leben und zu Beginn der Geschichte mit einer scheinbar ausweglosen Situation konfrontiert werden. Dabei zeichnet er das Setting nicht erdrückend düster, sondern lässt immer einen hoffnungsvollen Lichtblick in seiner Beschreibung erahnen. Ebenso spürbar ist die Sympathie, die er seinen Held*innen gegenüber empfindet. So werden sie mit ihren Gefühlen, Handlungen und Entscheidungen nie entblößt, sondern immer mit Respekt porträtiert. Am Schluss belohnt er sie mit einer geglückten Lösung. In den meisten seiner Stories überraschte er mich zudem mit unvorhersehbaren Wendungen: So lässt er die Handlung einer vermeintlichen Pointe entgegensteuern, nur um kurz vor dem Ende mit einem unvorhersehbaren Twist eine gänzlich neue Pointe zu präsentieren. Dabei erscheinen die Wendungen absolut nachvollziehbar. Zudem lässt er es mit einer erfrischenden Leichtigkeit geschehen. Dies zeugt von seiner brillanten Erzählkunst, die ich so bisher in dieser Qualität noch nicht „erlesen“ durfte. Mit dieser gelungenen Anthologie haben wir die Chance, einen wunderbaren Geschichtenerzähler wiederzuentdecken.

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