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Rezension zu
Die Glücklichen

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Existenzangst auf Fischgrätparkett

Von: Fräulein Julia
29.06.2015

Wie beklemmend kann eine Geschichte sein? Mit “Die Glücklichen” hat Kristine Bilkau einen Roman geschrieben, der wohl jeden kreativen Großstadtmenschen an der Gurgel packt und kräftig schüttelt. Was passiert, wenn einem plötzlich die Arbeitskraft schwindet und die Existenz auf dem Spiel steht? Wir befinden uns in einem Stadtteil von Hamburg: Nach der Sanierung strahlen die Altbauhäuser in Hellblau, Himbeerrot und diversen Pastellfarben; die Straßen sind gesäumt von Manufakturen und Einrichtungsläden, Yoga-Studios und schicken Cafés. Man wohnt zwischen Fischgrätparkett und Stuckverzierung, jede Woche wird die Biokiste in den mit Teppich ausgelegten Hausflur geliefert. Nicht anders sieht es bei Georg, Isabel und ihrem kleinen Sohn Matti aus. Ihre Welt wirkt wie in einem Hochglanzmagazin, sie ist Cellistin in einem Musical-Orchester, er leitender Redakteur bei einer Zeitung. Bis diese heile Welt einen empfindlichen Riss bekommt: “Meine Hände werden nicht zittern“, schreibt sich Isabel vor jedem Auftritt auf mehrere Zettel, die sie in ihren Taschen verteilt, doch es hilft nichts – die Hände zittern, mitunter so stark, dass sie ihr Solo nicht ohne bemerkbare Patzer spielt. Gleichzeitig erwischt es auch Georg, dessen Verlag von Heute auf Morgen einen radikalen Sparkurs fährt und seine Stelle kurzerhand wegrationalisiert. Bedeutet es das Ende ihres bisherigen Lebens? Während Georg sich nach und nach mit den Umständen arrangiert, seine Fühler nach anderen Jobs – die streng genommen weit unter seinem Niveau sind – austreckt und sogar an einen Umzug aufs Land denkt, verharrt Isabel in einer trotzigen Schockstarre: —————————————————— “Ich suche keine Alternative. Ich will nicht, dass sich etwas ändert” —————————————————— Die Situation wird für das Paar zu einer Zerreißprobe, immer stärker sieht sich Isabel dem Druck von außen ausgesetzt, dem sie nicht standhalten kann: “Die gesicherten Existenzen mit ihren geschmackvollen Wandfarben sagen alle dasselbe: Wir können, du nicht.” Wie soll man da mithalten, wenn man sich noch nichtmal ein Glas Feigensenf aus dem Delikatessenladen leisten kann? Bilkau_KDie_Gluecklichen_153599Die Außenwelt wird zum Feind, der Neid auf die Familien groß, die – wenn auch nur nach außen – glücklich sind: “[...] mühelos schafft dieser Vater es mit seinem Kind, vielleicht noch weiteren Kindern, und seiner Frau, wie selbstverständlich schaffen sie es, eine Familie zu sein, wohnen hier im Viertel, stellen nichts in Frage, bemerken nicht einmal, wie leicht ihnen alles fällt”. Selbstzweifel und erbitterte Vorwürfe an ihren Mann wechseln sich ab, die Beiden drohen sich gegenseitig zu zerfleischen, bis der große Knall kurz bevor steht. Was für Beklemmungen kann eine Geschichte auslösen? Isabel und Georg, sie könnten meine Nachbarn, könnten mein Freund und ich sein, so nah geht Kristine Bilkau an die Realität heran. Sie legt den Finger auf die verwöhnte Mittelschichtsgesellschaft und drückt drauf, bis die ganzen unterdrückten Ängste herausplatzen und man Zweifel an der Sicherheit seiner eigenen Lebensexistenz hat. Wie würde man selbst reagieren, wenn der plötzliche Jobverlust zum Umdenken zwingen würde? Bilkau schildert dieses Szenario mit einer eisigen Kälte und Schlichtheit der Worte, die es so realistisch machen, dass es den Leser mitunter an die eigenen Grenzen bringt. Ein phantastisches und aufwühlendes Debüt!

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