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Rezension zu
Mount Copenhagen

Von Gartenwichteln und sprechenden Mönchen

Von: Bjoernandbooks
26.11.2021

Ein Langzeitprojekt, dieser Berg! Die dänische Regierung hat sich in den Kopf gesetzt, ganz in der Nähe von Kopenhagen einen Berg errichten zu lassen, eine Reproduktion von Natur, die ihresgleichen sucht. Der 200-jährige Bau endete mit einem 3500 Meter hohen Ungetüm, das von nun an den Anblick der eher flachen Landschaft Dänemarks weithin dominierte. Eine groteske Mischung aus Natur und Kultur entstand, ein ewiger Kampf entbrannte zwischen dem, was die Natur sich zurückeroberte, und auf der anderen Seite dem technischen, menschengemachten Fortschritt. Da kommen Vogelmenschen im Dunstkreis des Berges zum Vorschein, medizinisch veränderte Mensch-Vogel-Hybride. Ein Bürger wird nach und nach magnetisch, sammelt sämtliches Metall in seiner Umgebung zu einer schier undurchdringbaren Rüstung und wird auf seinem Weg zum Blitzableiter des Berges zur totbringenden Gefahr. Mehr und mehr von diesen Neo-Technologien drängen in die Öffentlichkeit, und es stellt sich die Frage: Wo hört Natur auf, wo fängt Gesellschaft an und wann wird die Einflussnahme einfach zu groß? „Der Mount Kopenhagen ist ein Teil von Kopenhagen und der dänischen Geschichte geworden. Bücher und Filme spielen am Berg. Gemälde und Fotografien haben ihn als Motiv“ (S. 206) Ein Berg in Kopenhagen? Wer kommt denn auf so eine Idee? Und wozu? Während meines einwöchigen Urlaubs in Kopenhagen im vergangenen Oktober habe ich mir in Erwartung der Lektüre von Kaspar Colling Nielsens „Mount Copenhagen“ diese Fragen mehrfach gestellt. Vor dem Hintergrund der klug komponierten Erzählungen rund um das von Menschenhand konstruierte Naturschauspiel werden sie zumindest in Teilen beantwortet: Weil der Mensch es so will und weil er es kann! Die einzelnen kurzen Storys stehen dabei nicht für sich alleine, sondern entwerfen im Zusammenspiel das Gesamtkunstwerk. Anhand beispielhafter Einzelschicksale erleben wir als Leser*innen, wie der Mount Kopenhagen durch seine Bewohner*innen benutzt und zum Spielball technologischer Experimente wird. Da wird die Evolution hintergangen, ein Mann tötet Katzen für den Gewinn einer Tennis-Vereinsmeisterschaft und degeneriert mehr und mehr zu einer solchen, Grönländer erobern sich ein Stück des Berges, und selbst Außerirdische spielen eine Rolle. Ins Zentrum stellt der Autor jedoch stets die großen gesellschaftlichen Fragen der Jetzt-Zeit um den Umgang mit der Natur, den Fortschritt der Forschung und das Miteinander in Zeiten voranschreitender Anonymisierung. Gewürzt wird das mit einer ordentlichen Prise Fantasy und einem ansehnlichen Schuss magischen Realismus', der sich unverkennbar an die japanischen Erzähler wie Haruki Murakami oder auch Yukiko Motoya anlehnt, wie zum Beispiel auch in den Bildern, die sich um übermäßigen Verzehr von Nahrung drehen. Sprachlich bleiben die Schilderungen rund um den Berg leider ein wenig blass und konventionell, was den Spaß an Colling Nielsens Ideenrepertoire aber nur wenig mindert. Dennoch: Hier wäre noch unausgeschöpftes Potenzial gewesen! Wer sich also mit dystopischen und kreativ-verqueren Gedankenexperimenten unsere Zukunft betreffend die Wintermonate vertreiben möchte, der ist mit dem Werk des dänischen Autoren, der ganz nebenbei auch als Redenschreiber für die Regierung seines Landes tätig ist, bestens beraten. Ein Dechiffrieren seiner Sozialkritik im Einzelnen erscheint auf jeden Fall ergiebig.

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