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Rezension zu
Für Glück ist es nie zu spät

Neu anfangen – aber wie?

Von: Edith N.
18.11.2021

Als Johanna Landgraf noch ein kleines Mädchen war, konnte sie nur dann die Aufmerksamkeit ihrer Eltern erringen, wenn sie gute Leistungen brachte. Ehrgeiz wurde ihr so zur zweiten Natur. Sie träumte von Erfolg und Karriere und hatte nur ein mitleidiges Kopfschütteln für alle jene Menschen übrig, die keine Ziele und Pläne hatten und sich entspannt durchs Leben treiben ließen. Manch eine Jugendliebe scheiterte daran, dass der Freund das Leben nicht ernst genug nahm. Jetzt ist Johanna 52 und frisch verwitwet. Als ihr eine Jugendfreundin, die sie 30 Jahre nicht mehr gesehen hat, mit dem Kondolenzbrief ein leeres Tagebuch schickt, in dem sie sich – wie früher – alles von der Seele schreiben soll, kommt sie schwer ins Grübeln. Tagebuch geschrieben hat sie seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie ist eben nicht mehr die „Jo“, die ihre Jugendfreunde kannten. Der Schwung, der Optimismus, die Träume von damals – alles weg. Der Ehrgeiz ebenfalls. Karriere hat nur ihr Mann gemacht, ein erfolgreicher Arzt. Sie hat sich um Haus und Familie gekümmert und dem Gatten „den Rücken freigehalten“, wie man so schön sagt. Zum Dank dafür hat er sie am laufenden Meter betrogen. All die Lover, denen Johanna in jungen Jahren wegen erwiesener Antriebslosigkeit den Laufpass gegeben hat, würden sich totlachen, wenn sie wüssten, was aus ihr geworden ist. Nichts, aber auch gar nichts hat sie auf die Reihe gekriegt! Ihre Tochter lebt im Ausland und sie reden nicht mehr miteinander. Ihre Ehe mit René war schon am Ende, bevor er schwer krank geworden war und sie ihn deshalb nicht zu verlassen gewagt hatte. In guten wie in schlechten Tagen ... Durch die Beerdigungszeremonie stolpert Johanna wie durch einen schlechten Traum. Und jetzt? Was soll sie mit ihrem Leben anfangen? Zum Glück ist sie finanziell unabhängig. Das Problem, das andere Witwen im „späten Mittelalter“ haben, nämlich nach Jahrzehnten der beruflichen Auszeit plötzlich wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen zu müssen, hat Johanna nicht. Sie kann es sich leisten, den aus guten Gründen verhassten Porsche ihres verstorbenen Mannes ohne jegliche Preisrecherche zu verkaufen und einen Großteil des Geldes zu spenden. Während sich die unkonventionelle Entrümplerin Pauline von „Platzda & Wegdamit“ durch René Landgrafs weltliche Besitztümer arbeitet, fragt sich Johanna, wo im Leben sie derart falsch abgebogen ist, dass sie alles dermaßen vergeigt hat. Bei ihren Erinnerungen helfen ihr ihre alten Tagebücher, die sie in einer Kiste auf dem Dachboden aufbewahrt hat. Wäre sie wohl besser dran gewesen, wenn sie einen ihrer Exfreunde geheiratet hätte? Was wohl aus ihnen geworden ist? Johanna recherchiert. Henry, den sie noch aus Zeiten seines Psychologiestudiums kennt, ist immer noch ein super Typ. Er reagiert auch gar nicht herablassend, als er mitkriegt, dass aus Johannas hochfliegenden Lebensträumen nichts geworden ist. Er selbst wohl einiges richtig gemacht: Er hat eine Frau und zwei entzückende Töchter. Blöd nur, dass Johanna drauf und dran ist, sich erneut in ihn zu verlieben. Und niemals würde sie sich in eine Ehe drängen. Wie schmerzhaft es ist, die betrogene Ehefrau zu sein, weiß sie selbst ja am besten. Ist es überhaupt sinnvoll, die Zeit zurückdrehen und da anknüpfen zu wollen, wo man vor 30 Jahren aufgehört hat? Vergangenheit „reloaded“, sozusagen? Man ist ja nicht mehr dieselbe Person wie damals, weil man inzwischen jede Menge Lebenserfahrung angehäuft hat. Wie schafft man es, sich wieder auf verschüttete Stärken und Fähigkeiten zu besinnen und trotzdem nach vorne zu schauen? Johanna wird es lernen müssen. Hier geht es nicht um Trauer nach dem Tod des Partners – mit dem hatte Johanna praktisch schon abgeschlossen -, sondern in erster Linie um den Neuanfang und um die Frage: Wäre mein Leben besser verlaufen, wenn ich mich an diesem oder jenem Punkt anders entschieden hätte? Die Antwort ist: Man weiß es nicht, denn jede Abzweigung, die man nimmt, bedingt ja unzählige andere. Bei einem alternativen Verlauf der eigenen Biographie hätte man vielleicht nicht Problem A gehabt, dafür aber Problem B und/oder C. Mit dieser Art der Grübelei kann man also getrost aufhören und sich auf die Gegenwart konzentrieren. Es ist spannend und amüsant, Johanna bei ihrem Neuanfang zu begleiten. Man wünscht ihr so sehr, dass mal etwas nach ihren Vorstellungen läuft und nicht immer nur den Vorgaben der anderen. Und für uns Leserinnen gibt’s zusätzlich zur Unterhaltung noch ein paar interessante Denkanstöße. Was will man mehr?

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