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Rezension zu
Die Sturlungen

mehr als nur Historie

Von: der Michi
26.08.2021

Die gut 800 Seiten des Vierteilers entwickeln schnell eine Sogwirkung, die vielen anderen Historienromanen völlig abgeht. Einar Kárason erzählt den blutigsten Konflikt der isländischen Geschichte nämlich nicht mit der Distanz des auktorialen Erzählers, sondern nahezu konsequent aus der Ich-Perspektive. Allerdings gibt es hier nicht nur einen Protagonisten, sondern gleich mehr als zwanzig (!) verschiedene Ich-Erzähler, die ihre Sichtweise der Geschichte wiedergeben. Das erfordert zum einen etwas Geduld, zum anderen gelingt es dem Autor aber damit exzellent, nicht nur eine historische Epoche nachzuerzählen, sondern der großen Frage nachzuspüren, was Menschen zu Taten wie den hier beschriebenen treibt. Denn, das geben einige der Figuren freimütig zu, der Anlass ist häufig banal und wächst sich in diesem Fall doch zur einem generationenübergreifenden Bürgerkrieg aus, in dem jemand nur aus persönlichem Ehrgefühl heraus ganze Großfamilien auszulöschen bereit ist. Warum, das kann sich nicht einmal ein Gelehrter wie der im letzten Teil ausführlich porträtierte Skalden-Sturla erklären. Auch wenn der Klappentext mit dem Modebegriff "Wikinger" wirbt, hat die Geschichte streng genommen weder damit noch mit der "Gründerepoche Islands" zu tun. Die Insel ist im Handlungszeitraum der vier Bücher längst umfangreich besiedelt und christianisiert, auch wenn das Verhalten der meisten Beteiligten häufig nicht sonderlich christlich ist sondern eher an die mordlüsternen Racheakte erinnert, die man Wikingern instinktiv zuschreiben würde. Das macht die Konflikte nicht weniger spannend, gerade auch die politischen Verflechtungen mit dem norwegischen Königreich verleihen dem Geschehen weitere Dynamik, denn die norwegischen Könige Magnus und Håkon würden Island gern in ihren Machtbereich eingliedern. Das letzte Buch "Skalde" erzählt die Geschichte von Skalden-Sturla, einem Schüler des berühmten Snorri Sturluson, und erweist sich gleichzeitig als Hymne an die Welt der isländischen Sagas, vor allem deren Tradition und Erzählkunst. Zudem fasst Kárason hier die Handlung der drei Vorgängerbände in einem einzigen kongenialen erzählerischen Rundumschlag zusammen und gibt durch die Augen der Hauptfigur Einblicke ins Seelenleben von Schriftstellern, die schon im Mittelalter mit mäkelnden Kritikern und Schreibblockaden zu kämpfen hatten. Wer meint, in Sachen Historienroman schon alles gelesen zu haben, findet in diesem Sammelband eine ganz neue Erfahrung, vor allem, wenn man so lange wie möglich am Stück liest. Neben dem Einblick in eine faszinierende Epoche gelingt vor allem der Einblick in die Ansichten und Beweggründe der Protagonisten, die dem Leser ein eigenes Urteil über die Geschehnisse ermöglichen und zeigen: damals wie heute ist es unmöglich irgendein Ereignis nur aus einer Sichtweise heraus verstehen zu wollen. Originaltitel: "Skálmöld" / "Óvinafagnaꝺur" / "Ofsi" / "Skáld"

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